Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
israelische
Soldatin einfach töten. Die andere war bereits tot, wie im Intranet der Polizei
zu lesen gewesen war, aber das reichte ihr nicht.
Mit dem Motorrad hatte sie die rund zehn Kilometer lange Strecke von
Llombards zur gräflichen Finca in kaum einer Viertelstunde zurückgelegt. So
weit es ging, umrundete sie das riesige Areal, um das Gelände und natürlich
auch die Fluchtwege zu erkunden. Sie entschloss sich, dass Grundstück von der
Klippenseite her zu betreten. Von dort hatte sie zur Not auch noch den
Fluchtweg übers Meer. Dazu musste sie nur einen Sprung ins Wasser aus rund
zwanzig Metern Höhe überstehen, aber das kannte sie schon von ihrer Ausbildung
her.
Ihre Gedanken wanderten in die Kirche. Sie stellte sich vor, wie der
Plan von ihren Schwestern umgesetzt worden war. Vielleicht waren sie schon mit
dem Hubschrauber auf dem Weg nach Marokko, auf dem Weg in die Freiheit und in
den Wohlstand. Diese Gedanken gaben ihr zwar Kraft für ihr Vorhaben, lenkten
sie aber auch ab. Hier ging es darum, eine Feindin auszuschalten. Eine Feindin,
die ihre Schwestern umgebracht hatte. Sie weidete sich geradezu an dem
Gedanken, sie eiskalt abzuknallen und ihr dabei in die Augen zu sehen.
Sie grinste. Jetzt zuzuschlagen war ein günstiger Zeitpunkt. Sie überprüfte
ihre Beretta und die Micro-Uzi, eine kleine Maschinenpistole mit enorm hoher
Feuerkraft. Zuletzt kam ihre Kletterausrüstung dran, zwei Seile, einige Karabinerhaken,
ein Hammer und mehrere Fels- und Spaltendübel. Nach einem kurzen Gebet machte
sie sich auf den Weg.
***
Die Praxis des Kinderarztes war völlig überlaufen. Alles, was unter sechs
Jahre alt war, quengelte und weinte, weil es ihm schlecht ging oder ihm
langweilig war. Und alles, was an Jahren darüberlag, war wegen der
unerträglichen Quengelei am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Tomeu und
Esmeralda hingegen bildeten eine Art Fels in der Brandung. Sie saßen staunend
im Wartezimmer, hielten sich aneinander fest und begriffen nicht, was um sie
herum ablief. Als eine Mutter einen Weinkrampf bekam, weil ihr Kind seit einer
halben Stunde ununterbrochen brüllte, reichte es Tomeu. Er setzt Esmeralda auf
einen Stuhl. »M-m-m-mom-ment, K-k-klein-nes, i-i-i-ich k-k-k-komme g-g-gleich w-w-wieder.«
Er ging hinaus und erschien kurze Zeit später wieder im Wartezimmer.
Um ihn herum sprangen grunzend und bellend sein Hund Shakespeare und Filou.
Schlagartig war Ruhe im Wartezimmer. Kinder, die eben noch greinend auf den
Schößen ihrer genervten Mütter gesessen hatten, strahlten nun übers ganze Gesicht.
Innerhalb kürzester Zeit wurde aus dem Vorhof zur Hölle ein kunterbuntes
Spielzimmer. Nur der Höllenhund selbst war noch nicht überzeugt. Außer sich vor
Wut kam die Sprechstundenhilfe herein.
»Das ist eine Arztpraxis, Señor, und kein Jahrmarkt! Verschwinden
Sie augenblicklich mit ihrem Viechzeug und nehmen Sie Ihr Zigeunerbalg gleich
mit.«
Eine junge Mutter erhob sich und stellte sich schützend vor Tomeu
und seine kleine Esmeralda. »Señora, Sie haben absolut kein Recht, dieses Kind
derartig zu beschimpfen, nur weil ihr Vater mit zugegeben unkonventionellen
Mitteln uns alle vor dem absoluten Wahnsinn bewahrt hat. Im Gegenteil, Sie
sollten ihm dankbar sein. Und wenn Sie sich bei dem Mädchen nicht
augenblicklich in aller Form entschuldigen, werde ich dafür sorgen, dass kein
einziger Patient mehr diese Schwelle übertritt, solange Sie hier beschäftigt
sind.«
Die Gesichtsfarbe der Sprechstundenhilfe wechselte von knallrot zu
quittegrün, um dann einem doch eher gepflegten Leichenblass Platz zu machen.
Dr. Bunyol kam ins Wartezimmer. »Was ist denn hier los?« Um nichts
eskalieren zu lassen, stellte er sich zwischen die beiden Kampfhühner. »Kann
mir mal bitte jemand sagen, was hier abgeht?«
»Diese Frau«, die junge Mutter zeigte auf die Sprechstundenhilfe,
»hat diesen Herren beschimpft und seine entzückende Tochter als Zigeunerbalg
beschimpft.«
»Und dieser Kerl hat aus meinem Wartezimmer einen Schweinestall und
einen …«, sie blickte auf den Irischen Wolfshund, »einen Flohzirkus
gemacht.«
»Señora, ich sehe nur, dass dieser junge Vater einer entzückenden
Tochter ein absolutes Irrenhaus in einen Hort des Friedens verwandelt hat, und
ich würde mir wünschen, dass das so bleibt.«
Jetzt dominierte wieder das Rot in ihrem Gesicht. »Herr Doktor, Sie
müssen sich entscheiden. Wenn das Schwein bleibt, dann gehe ich.«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Meine liebe Sonja,
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