Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
in der seinen gehalten hatte. Der
Fingerhaltung nach musste diese Person neben ihm gelegen haben. »Verdammte
Hacke«, schimpfte er. »Wer legt sich denn auf ein Brett oder einen Tisch und
hält mit einer Leiche Händchen?«
»Eine andere Leiche«, sagte eine Stimme hinter ihm. Der Bischof war
mit seiner Arbeit fertig. »Haben wir etwa noch zwei Leichen?«
»Haben tun wir nur eine, die andere fehlt leider. Wenn es sie überhaupt
gab.« Berger zeigte Crasaghi das Bild. »Dieser junge Mann könnte Pepes
Zwillingsbruder gewesen sein.«
Der Bischof nickte wissend. »Es gab sie. Das haben sie damals eben
so gemacht. Manche Leichen wurden sogar aufrecht am Holz festgetackert, damit
sie für den Fotografen einen lebendigen Eindruck machten. Andere wurden in
ihren Särgen gegen die Wand gestellt, damit sie der Fotograf frontal ablichten
konnte.«
»Aber hier hat man gleich zwei Verstorbene nebeneinander aufgebahrt.
Händchenhaltend.«
»Vielleicht handelte es sich um Liebende, die gemeinsam aus dem
Leben geschieden sind.«
Berger leuchtete das nicht ein. »Warum trennt man sie dann später
wieder gewaltsam, indem man das Foto zerschneidet?«
»Vielleicht waren es zwei Liebende aus miteinander verfeindeten
Familien.«
»Sie meinen, wie Romeo und Julia?«
» Sí , Señor.«
»Hier in Colonia Sant Jordi?«
» Sí , Señor. Warum nicht? Gestehen Sie den
Mallorquinern ruhig auch ganz große Gefühle zu.«
»Eigentlich haben die historisch gesehen immer eher als Piraten,
Schmuggler und erfolgreiche Geschäftsleute geglänzt.«
»Umso mehr bin ich davon überzeugt, dass im versteckten Kämmerlein
der Mallorquiner Unmengen von Schmachtfetzen und Liebesromanen verschlungen
werden.« Crasaghi zückte sein Handy. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir
erlauben, mich nützlich zu machen.«
»Inwiefern?«
»Indem ich den hiesigen Pfarrer anrufe, damit der mal seine Kirchenbücher
nach dem Toten auf dem Foto durchstöbert. Wenn es sich um Pepes Zwillingsbruder
handelt, haben wir ja sein Geburtsdatum, und wenn der Grund für sein Ableben
wirklich eine Liebestragödie war, dann wird auch darüber etwas in den Büchern
stehen, davon bin ich überzeugt.«
»Gut, machen Sie das. Ich werde mich hier inzwischen nach einer
Familienbibel umsehen. Was Chroniken betrifft, handelt es sich dabei ja oftmals
um wahre Fundgruben.«
***
Als García Vidal am Eingang der Höhle eintraf, war eine komplette
Katastrophenschutzeinheit gerade dabei, die illegalen Einwanderer mit
Seilwinden ans Tageslicht zu ziehen. Oben wurden die geschwächten Menschen von
Ärzten und Sanitätern in Empfang genommen und in ein extra dafür aufgestelltes
Zelt gebracht, in dem sie vor der Sonne geschützt waren. Der Comisario war beeindruckt.
Man hatte sogar daran gedacht, für die Geretteten, die einige Tage in den
dunklen Höhlen verbracht hatten, Sonnenbrillen zu besorgen.
Mitten in dem ganzen Gewusel stand Carmen und gab Anweisungen. Dabei
hatte sie, als ob da nie etwas anderes gewesen wäre, die kleine Esmeralda, mit
einem Arm umklammert, auf ihrer Hüfte sitzen.
»Nanu«, scherzte García Vidal, »nebenbei noch schnell entbunden?«
Carmen nickte lachend. »Sie kam ganz plötzlich.«
»Bei der Zeugung hat Tomeu aber einen ganz schwarzen Tag gehabt.«
»Sieht so aus.« Carmen lächelte die Kleine an. »Dafür war die Geburt
leicht. Nur habe ich jetzt das Problem, dass ich Esmeralda nicht mehr loswerde.
Wenn ich nur den Gedanken hege, sie eventuell für ganz kurze Zeit absetzen zu
wollen, krallt sie sich geradezu unlösbar an mich.«
»Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte der Comisario grinsend.
»Wenn die Bälger erst achtzehn sind, fallen sie von allein ab.« Er schaute sich
um. »Kannst du mir mal einen kurzen Lagebericht geben?«
Carmen nickte, flüsterte der kleinen Esmeralda auf Französisch etwas
ins Ohr und setzte sie schnell auf den Arm einer Sanitäterin. »Sie halten bitte
meine Freundin so lange auf dem Arm, bis ich wieder da bin.«
Das Gebrüll war geradezu infernalisch, doch nachdem Carmen Esmeralda
scharf, aber dennoch liebevoll ansah, verstummte sie. »Na also, geht doch.«
Carmen und García Vidal ließen sich in die Höhlen abseilen.
Währenddessen unterrichtete sie den Comisario über alles, was sie vorgefunden
und angeordnet hatte.
»Carmen, meine Liebe, du hast das wie immer perfekt organisiert. Hut
ab. Die Kollegen von der Spurensicherung sind also schon bei der Arbeit?«
»Teilweise. Erst wenn wir alle Asylsuchenden
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