Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
Selbst nachts wird jedes Schlauchboot elektronisch geortet und der Küstenwache
gemeldet. Allein in diesem Monat wurden drei Flüchtlingsboote auf hoher See
abgefangen. Die Zeiten, in denen nachts ein reger Schmuggelverkehr abgewickelt
werden konnte, sind schon lange vorbei. Jedes unangemeldete Boot wird
genauestens beobachtet und beim kleinsten Zweifel sofort aufgebracht. Dass also
auf dem See- oder Luftweg Menschen eingeschleust werden, ist absolut
undenkbar.«
»Das ist mir klar, Kollege.« García Vidal versuchte, den Polizisten
wieder zu beruhigen. »Aber es werden Menschen eingeschleust, das ist Fakt, und
unser Job ist es herauszufinden, auf welchem Wege das geschieht.«
»Natürlich, Comisario. Wir sollten zurückgehen. Die Paletten in den
Lagerräumen wurden inzwischen näher begutachtet. Man hat dort etwas ziemlich
Eigenartiges mit Nesseltüchern eingewickelt und in Ballen abgepackt.«
García Vidal schaute Carmen an. »Jetzt kommen wir zu deiner
Baumwolle.«
»Richtig«, sagte der Polizist, »genau so sehen die Ballen aus. Aber
kommen Sie doch bitte mit und sehen Sie selbst.« Er führte sie wieder in den
Fels hinein und durch die »Hafenhöhle« hindurch bis in die Lagerhalle mit den
Verschlägen. Sie betraten das Verlies hinter der zuerst geöffneten Stahltür.
García Vidals Gesicht hellte sich auf.
»Die sehen ja wirklich aus wie Baumwollballen!«
» Sí , Señor, aber sie enthalten etwas
völlig anderes.«
»Rauschgift?«, fragte Carmen vorsichtig.
»Nein. Kommen Sie.« Er führte sie um zwei Paletten herum zu drei
geöffneten Ballen. Aus dem ersten quollen Schnorchelsets verschiedener Größe
heraus, aus den anderen beiden alles, was sich in Souvenirläden an Kleidung,
Luftmatratzen, Hüten und sonstigen Accessoires verkaufen ließ.
»Sollen wir die anderen Ballen auch noch öffnen?«
Der Comisario nickte desillusioniert. »Machen Sie das. Sollten Sie
dabei auf eine komplette Strandbar stoßen, hätte ich gern einen Cortado.«
8
Mira und die Gräfin versuchten, ein wenig zu dösen. Die letzten
Stunden waren aufregend und anstrengend für sie gewesen. Filou grollte noch
immer mit Gott und der Welt und war weder durch Streicheln noch durch gute
Worte dazu zu bewegen, seinen »Schmollwinkel« zu verlassen. Mira hätte gern ein
wenig geschlafen, aber ihre Gedanken schlugen mentale Salti. War es richtig
gewesen, den Kram einfach so hinzuschmeißen? War es richtig, einfach bei einer
wildfremden Frau zu bleiben, noch dazu bei einer Deutschen? Schließlich war sie
Jüdin, sie praktizierte ihren Glauben nur schon lange nicht mehr. Selbst ihre
relativ liberale Familie war ihr in vielen Dingen des täglichen Lebens einfach
zu bigott.
Sie versuchte, sich auszumalen, was sie antworten könnte, wenn sie
zu ihrer Mission befragt werden würde. Sie hatte zu schweigen, selbst wenn sie
dem Mossad den Rücken gekehrt hatte. Erst der Tod würde sie von ihrem Schwur
entbinden, nur Gott dürfe sie Auskunft geben, hatte ihr der Rabbi bei der
religiösen Grundausbildung eingeschärft. Nur ihm dürfe sie wirklich alles
sagen, denn er sei einer von ihnen.
Die Gräfin hüstelte.
»Was ist los, Durchlaucht? Ich denke, Sie wollten schlafen.«
»Schlafen Sie vor, ich schlafe nach«, gab Rosa zurück.
»Das würde ich gern, aber mir geht zu viel durch den Kopf. Werde ich
jemals erfahren, was mit Fatma wird? Werde ich jemals wieder in meinem Beruf
arbeiten können?«
»Warum nicht? Tierärzte werden überall gebraucht.«
»Das ist mir klar, aber werden meine Examina überhaupt international
anerkannt?«
»Sie werden doch wohl an einer Uni studiert haben, oder?«
»Ja, in Hannover. Darauf folgte dann allerdings eine Fachausbildung
als Armeetierärztin in Israel.«
»Was mussten Sie in der Armee denn so machen? Haben Sie aufgepasst,
dass die Panzer das richtige Futter bekommen?«
Mira lachte. »So ähnlich. Nein, ich habe die Aufgaben eines staatlichen
Veterinärs übernommen. Ich musste meinen Stempel auf alles Fleisch machen, das
für den menschlichen Verzehr geeignet war, und der Rabbi musste es als
koscheres Essen freigeben. Natürlich hatte er im Zweifelsfall das letzte Wort.
Egal, was man macht, die Herren Rabbiner funken einem überall hinein, und besonders,
wenn man eine Frau ist. Wenn einer von denen in der Nähe ist, haben sogar
weibliche Generäle die Schnauze zu halten, und ich habe es nur bis zum Major
gebrach. Gräfin, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mir das stinkt.«
»Das kann ich gut
Weitere Kostenlose Bücher