Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
Sie trafen sich im Hinterzimmer des
Rechtsanwalts und Notars Enrique Narratx.
Catalina Bauzá Cantratx war die Erste, die das Wort ergriff. »Señor
Comisario, ich möchte Ihnen im Namen meiner ganzen Familie für Ihre Worte und
Ihr Fingerspitzengefühl von Herzen danken.« Rosalia Álvarez Barosa nickte
zustimmend. »Wir möchten Ihnen darüber hinaus versichern, dass wir schon seit
Jahren keinerlei …« Sie dachte kurz über ihre Wortwahl nach. »… keinerlei
›Geschäfte‹ mehr auf Cabrera machen. Der für uns heilige Kodex verbietet uns,
Ihnen zu sagen, wer dort sein Unwesen treibt, aber wir versichern Ihnen hiermit
an Eides statt, dass die beiden Clans unserer Generation weder mit den Morden
auf Cabrera noch mit dem Mord an Pepe Álvarez etwas zu tun haben und auch nicht
in Aktivitäten verwickelt sind, die damit zu tun haben könnten.«
»Wie, war das jetzt alles?« García Vidal stand seine Enttäuschung
ins Gesicht geschrieben.
» Sí , Señor. Wie schon von mir bemerkt,
sind wir an unseren Kodex gebunden.«
»Wissen Sie was?«, brauste der Comisario auf. »Es scheint jemanden
zu geben, der auf Ihren Kodex pfeift, sonst hätten wir heute niemanden
beerdigen müssen. Da draußen läuft jemand herum, der Ihre Leute umbringt, und
Sie schauen einfach nur dabei zu und faseln etwas von Ehrenkodex. Señoras, wie
oft wollen wir uns eigentlich noch in der Kirche treffen?«
Die beiden Damen tauschten einen schnellen Blick. »Geben Sie uns
bitte ein paar Minuten zur Beratung, Señor Comisario.«
García Vidal erhob sich von seinem Sitz und verließ mit dem Notar
zusammen das Verhandlungszimmer.
»Nun, Señor Narratx, was halten Sie von dieser Situation?«
»Erst einmal möchte auch ich Ihnen meine Hochachtung aussprechen.
Dass diese beiden Damen heute Abend nach sechzig Jahren wieder miteinander
sprechen, ist allein Ihr Verdienst.«
»Danke für die Blumen«, gab García Vidal genervt zurück. »Aber dafür
kann ich mir nichts kaufen.«
»Tja, der eine bekommt Rosen für seine Erfolge, der andere steht mit
einem Sträußchen Petersilie da.«
García Vidal schaute den schnaufenden Notar fragend an.
»Petersilie?«
» Sí , Señor. Einfach nur Petersilie.«
Eine Anwaltsgehilfin bat sie, wieder in den Raum zu kommen, aber
García Vidals Hoffnung wurde nicht erfüllt.
»Bedaure, Señor«, beschied ihn Rosalia Álvarez Barosa erneut. »Wir
sind leider nicht in der Lage, Ihnen weiterzuhelfen. Bitte seien Sie jedoch
versichert, dass es nicht der Mensch García Vidal ist, dem wir misstrauen,
sondern der Polizist.«
Die beiden wollten sich erheben, doch der Comisario machte ein
unmissverständliches Zeichen, dass sie sich wieder setzen sollten. »Meine
Damen«, sagte er ziemlich bestimmt. »Ich gebe Ihnen Zeit bis morgen Mittag um
Punkt zwölf Uhr, sich mir, dem Polizisten García Vidal, gegenüber erheblich
kooperativer zu zeigen. Hier geht es nicht um irgendwelchen familiären
Krimskrams, sondern um ein Kapitalverbrechen. Mehrere sogar. Bei deren
Aufklärung darf und werde ich keinerlei Rücksicht auf traditionell gewachsene
Strukturen nehmen. Ich will es auch gar nicht. Es gibt nun zwei Möglichkeiten.
Ich kann mich mit meiner ganzen Kraft und der gesamten Härte des Gesetzes
entweder um Ihre Geschäfte kümmern, oder ich verwende beides darauf, einem
mörderischen Geschäft mit Rauschgift- und Menschenhandel ein Ende zu bereiten.
Sie, meine Damen, haben das zu entscheiden.« Er erhob sich. »Guten Abend,
Señoras. Ich werde morgen Mittag pünktlich an diesem Tisch sitzen und auf Ihre
Entscheidung warten.«
Der Notar begleitete ihn zur Tür.
»Haben Sie mit diesem Ausgang gerechnet, Señor Narratx?«
»Dass Sie von den Damen keine Hilfe bekommen würden, wusste ich.
Ihre Reaktion war für mich überraschend. Ich hätte mit weniger Geduld
gerechnet.«
García Vidal bedankte sich mit einem freundlichen Nicken und ging.
»Denken Sie über die Petersilie nach«, rief ihm der Notar noch
hinterher.
***
In Santanyí eingetroffen, wusste der Comisario natürlich genau, wo
er seine Freunde finden konnte. Als er die Bar Sa Plaça betrat, brandete
Applaus auf. Sogar Bernardo kam hinter seinem Tresen hervor. »Meinen Respekt,
Señor Comisario. Was Sie da heute vollbracht haben, grenzt an ein kleines
Wunder. Wie wenig braucht man dazu, zwei Familien zu verfeinden, doch wie viel
benötigt man, um sie wieder zu versöhnen!«
»Vielen Dank«, erwiderte García Vidal müde und setzte sich niedergeschlagen
zu
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