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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Abzug von Dietrichs Foto gefunden und Nina geschenkt. Leo versuchte sich an das Gesicht zu erinnern, es war Ninas nicht ähnlich. Eine Familienähnlichkeit zeigte sich nicht immer in den Sekundenbruchteilen eines Schnappschusses.
    An der Rezeption hatte sie dafür gesorgt, ihren Schlüssel wieder als Letzte zu bekommen. Sie hatte sicher mit dem Fax aus Hamburg gerechnet, es war nicht angekommen. Als sie ihrem alten Freund Johannes die Liste der Namen und Anschriften ihrer Mitwanderer gefaxt hatte, war das kaum mehr als ein Spiel zur Befriedigung ihrer Neugier gewesen. Der Ressortleiter eines großen Magazins in einem noch größeren Verlagshaus hatte Zugang zu einem immensen Archiv, das Archiv in seinem Kopf jedoch mochte in diesem Fall noch ergiebiger sein. Johannes’ Gehirn speicherte wenig wissenschaftliche oder politische Fakten, dafür umso gründlicher große und kleine Skandale mit allen möglichen Querverbindungen. Er hatte geschimpft und genörgelt, wie immer, er hatte Wichtigeres zu tun, wie immer, und endlich versprochen, er werde sehen, was sich machen lasse, wie immer. In ein, spätestens zwei Tagen höre sie von ihm.
    Nina verschwieg etwas, das war klar. Wenn es etwas gab, das in den letzten Monaten, sogar Jahren, die Insteins Familie oder als Firma in die Medien gebracht hatte — Johannes fand es. plötzlich erschien ihr nichts wichtiger. Sie hatte ihn angerufen, in der Redaktion meldete sich nur der Anrufbeantworter, auch das Sekretariat war nicht mehr besetzt, sein Handy . Wahrscheinlich saß er in einer seiner endlosen Konferenzen oder — falls die Sonne schien — auf seinem Segelboot auf der Außenalster. Er nannte solche Kurztörns Außentermin.
    Sie warf das nutzlose Notizbuch aufs Bett, griff nach ihrer Jacke und rannte hinunter zur Rezeption.
    «Nein», hieß es wieder, «leider, Señora, keine Nachricht für Sie.»
    Grimmig schlug sie den Weg ein, den hier alle gingen: zur Altstadt mit der Renaissance-Basilika Nuestra Señora de la Encina, benannt nach der Heiligen Jungfrau, die den Templern im Inneren einer Steineiche erschienen war, die sie für den Bau ihrer Burg fällen wollten. Weiter zu dem berühmten Uhrturm auf einem der Tore in den Resten der mittelalterlichen Stadtmauer, der noch berühmteren Templerburg und der mozarabischen Kirche Santiago de Peñalba, die als Juwel der spanischen Vorromanik gepriesen wurde. Von der im 11. Jahrhundert erbauten und mit Eisen verstärkten Brücke über den Sil war nichts mehr zu sehen. Diese pons ferrata hatte dem bis dahin unbedeutenden Ort den Namen gegeben und ihn, schon bevor die Templer ihre Burg erbauen ließen, zu einer bedeutenden Stadt und Station am camino gemacht.
    Leo schlenderte durch die Straßen, ohne Lust, eine der Sehenswürdigkeiten zu betreten, und stellte fest, dass man selbst in einer so kleinen Altstadt herumwandern konnte, ohne auch nur einem Mitglied einer Gruppe zu begegnen, die ein Dutzend zählte.
     
    Fast hatte er sich an den Gedanken gewöhnt, auf welche Weise er sein Ziel erreicht hatte. HarteSituationen erforderten harte Maßnahmen. So war es immer, es wurde nur nicht darüber gesprochen. Schließlich ging es um mehr als die Steigerung der Umsätze, nämlich um viele Arbeitsplätze, um die Sicherheit der Leute und ihrer Familien. Das war eine immense Verantwortung, da war sentimentale Entscheidungen kein Raum. Daran musste er immer denken. Wenn es um so viel und so viele ging, war das Opfer eines Einzigen anmessen. Zumal eines solchen Freaks. Ärgerlich tischte er sich den Schweiß vom Nacken — was er getan, nein, nicht getan, nur veranlasst hatte — das war doch ein gravierender Unterschied—, was er also veranlasst hatte, hatten viele große Männer vor ihm getan. Der kalte Schweiß, der ihm nach diesen Telefonaten über Gesicht und Nacken rann, war ein Zeichen von Schwäche. Das musste aufhören.
    Und er musste aufhören, ständig aus dem Fenster zu starren. Auch diese Entscheidung, dieseletzte Anweisung, die er gerade gegeben hatte, war richtig. Unvernünftig, hatte die Stimme eingewandt, sich aber gefügt. Der Mensch wurde teuer bezahlt, er hatte sich zu fügen. Unvernünftig, hatte die Stimme wiederholt, riskant. Doch er habe für einen solchen Fall Kontakte, in diesem Alter seien Kinder dort gerade noch gefragt.
    Unvernünftig war ein schwammiger Begriff, er mochte ihn nicht. Was war schon vernünftig? Zahlen, Ergebnisse, Erfolge — das stand für Vernunft. Kleine

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