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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Geister mochten das anders sehen,die hatten auch nur kleine Pläne und kleine Pflichten. Er trug nun große Verantwortung, das war ein Wort, das ihm sehr gut gefiel, es stand für Macht und Bedeutung.
    Und dieses Kind in Spanien? Ein fremder kleiner Bengel, in einer Wildnis aufgewachsen, ohneBildung und Kultur, ein Bastard zudem. Ein neues Rinnsal von Schweiß durchnässte sein Hemd. Er sprang auf und nahm ein frisches aus dem Schrank, neuerdings hatte er dort immer einen Vorrat, es ging nicht an, verschwitzt eine Konferenz zu leiten.
    , dachte er, beugte und spreizte die Finger, damit das Zitternaufhörte.
    Das war hart, doch nicht so hart wie — nein, dieses Wort wurde jetzt ein für alle Mal aus den Kopfverbannt.
     
    Beim Abendessen fehlte Nina. Das sei kein Grund zur Sorge, versicherte Jakob, der Tag habe sie sehr angestrengt.
    «Ihr fehlt das Training, das ihr in den vergangenen Tagen absolviert habt. Ich habe ihr einen Imbiss ins Zimmer schicken lassen, morgen ist sie wieder fit. Außerdem gibt es eine gute Nachricht aus Burgos», er hob froh sein Glas, «Benedikt ist endlich wieder aufgewacht. Ich will nicht behaupten’ es gehe ihm prächtig, aber Dr. Helada hat versichert, er werde wieder ganz der Alte. An seinen Sturz oder wie es dazu kam, erinnert sich Benedikt nicht. Ich finde: zu seinem Glück. So etwas ist keine Erinnerung, die man gern hat. Tut mir morgen einen Gefallen, ich bitte euch sehr. Wenn es wirklich so heiß wird, wie der Wetterbericht verspricht, füllt an jeder Wasserstelle eure Trinkflaschen nach und setzt eure Hüte auf. Wir haben keine Schluchten, Abhänge oder schmalen Stege mehr vor uns, aber ein Hitzschlag oder eine Ohnmacht brauchen wir auch nicht. Benedikts Unfall ist wahrhaftig genug.»
    Als Jakob sich setzte, stieg der Geräuschpegel schlagartig. Eva und Caro schlugen vor, sofort eine Karte mit Genesungswünschen zu schreiben, Edith war für einen Blumengruß, Sven für eine gute Flasche Rotwein, was wegen des Transportproblems zu logistischen Erörterungen mit Fritz führte. Enno schwieg und sah auf seine an der Tischkante abgestützten gefalteten Hände. Leo stellte sich vor, er denke darüber nach, dass es besser sei, in der Kathedrale von Santiago Dankgebet zu sprechen.
    Als Jakob sagte, Benedikt sei aufgewacht, hatte sie die Gesichter beobachtet und nur gespannte aufmerksame Mienen gesehen, keine Beunruhigung, keine Sorge. Wenn tatsächlich einer unter ihnen war, der Benedikt in die Schlucht gestoßen hatte, hätte es eine Reaktion geben müssen. Oder nicht? Vielleicht war Jakobs Entwarnung, Benedikt erinnere sich nicht, zu schnell gefolgt.
    «Du könntest ein Gruppenbild von uns zeichnen, Hedda», hörte sie plötzlich Helene vorschlagen, das Geheimnis von Heddas künstlerischem Tagebuch war offenbar keines mehr. «Das freut ihn sicher, dazu eine Jakobsmuschel und einen Wanderstab.»
    Hedda schwieg, die Gabel unbeweglich in der Hand. Alle sahen sie an.
    «Fabelhafte Idee», sagte Selma, «ganz fabelhaft.»
    Hedda schüttelte den Kopf. «Nein», sagte sie entschieden, «dazu zeichne ich nicht gut genug. Außerdem», sie schob akkurat ein paar Erbsen um ihren Ochsenbraten, «außerdem glaube ich nicht, dass er so ein Bild gerne hätte.»
    Leo achtete kaum auf die darauf folgende Debatte — Ihre Gedanken waren bei Nina. Als das Dessert aufgetragen wurde, stand sie auf und entschuldigte sich mit Müdigkeit.
    Diesmal wurde die Tür auf ihr Klopfen gleich geöffnet. Nina hatte ihr Handy in der Hand, sie steckte es in die Jackentasche und ließ Leo eintreten. Das Tablett mit ihrem Abendessen stand unberührt auf dem Tisch.
    «Wenn du schon nichts essen willst», sagte Leo, «trink wenigstens ein Glas Wein.» Sie stellte die Flasche und die beiden Gläser, die sie an der Rezeption («Bedaure, Señora, immer noch kein Fax für Sie!») erbeten hatte, auf die Fensterbank und klappte den Korkenzieher aus ihrem Taschenmesser. «Auf leeren Magen ist es unvernünftig, aber egal, Rotwein ist gut für die Seele.»
    Nina nahm wortlos eines der Gläser, sah zu, wie Leo es füllte, und trank einen tiefen Schluck. «Danke. Meine Seele kann heute Gutes brauchen. Ich habe nachgedacht, Leo. Ich glaube, ich muss dir anvertrauen, warum ich Dietrich wirklich geweht habe. Ich habe dir nur die halbe Geschichte erzählt.»
    «Das schien mir auch so. Ich würde wirklich gerne den Rest hören. Wenn du nicht mit Jakob darüber reden möchtest — schließlich kennt er sie

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