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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Mädchen mit Holzperlen und Federn im Haar und versuchte sich mit ihrer Gitarre an einem alten Bob-Dylan-Song. Der Wind verwehte die dünne Stimme, was niemand bedauern konnte. Trotz der deutlich sichtbar daran angebrachten Jakobsmuschel mit dem roten Kreuzzeichen würde der speckige Hut vor ihren Füßen kaum gefüllt werden.
    An dem Sherry nippend, konzentrierte sich Obanos auf seine eigenen Gedanken, und als habe jemand einen dicken Vorhang vorgezogen oder die Tür geschlossen, versickerte aller Lärm um ihn herum. Eine Fertigkeit, die ihm auch das Leben mit zwei temperamentvollen Kindern erleichterte. Er durfte nicht vergessen, ihnen eine Ansichtskarte zu schicken und für Pilar in dem Weinladen gegenüber mit den überteuerten Preisen eine Flasche Mencía zu kaufen. Das würde ihr gefallen. Sie liebte die galicischen Rotweine aus der Ribeira Sacra, der Name der Region — — passte fabelhaft für ein Mitbringsel aus Santiago. Damit wandte er seine Gedanken endgültig Wichtigerem zu, dem Resümee dessen, was er an Neuigkeiten erfahren hatte.
    Unterwegs hatte er Station in der Herberge bei Foncebadón gemacht, sie war leicht zu finden gewesen. Die Hostalwirtin rieb sich nervös die Hände, als er nach dem Verunglückten fragte. Der camino, hatte er erklärt, müsse sicher sein. Da es in diesem Jahr schon zwei einander ähnliche Unfälle gegeben habe, könne es nicht schaden, die Umstände zu begutachten. Julián, ihr Mann, hatte skeptisch ausgesehen, aber nach einem Blick in das besorgte Gesicht seiner Frau nur schweigend genickt. Dass Obanos sich als Polizist auswies, hatte Señora Mira ein wenig entspannt, beide hatten bereitwillig Auskunft gegeben.
    Es war, wie er gedacht hatte. In den Anfängen so eine Art Aussteigerkommune mit immer wieder wechselnden Bewohnern, war das alte Gehöft in den letzten Jahren zu einem hübschen von zwei Paaren bewirtschafteten hostal geworden. Es war ihr Eigentum, hier wollten sie ihr Leben verbringen. An ihrem Freund Dietrich W. — Weber, wie Obanos jetzt wusste — war nur ungewöhnlich, dass er als Herumtreiber gekommen war und nicht, wie bei solchen Schnorrern üblich, bald mit einem Teil der Haushaltskasse weitergezogen war. An diesem einsamen Ort war er an Leib und Seele gesundet, endlich erwachsen geworden und geblieben. Sein Foto zeigte einen frohen, zufriedenen Mann in mittleren Jahren mit wettergegerbtem Gesicht.
    Die Geschichte erinnerte Obanos an einige der Legenden, die er vor langer Zeit im Religionsunterricht gehört hatte. Es mussten nicht gleich Heilige wie Franziskus sein, auch weniger bedeutende Männer und Frauen hatten auf diese Weise Erlösung gefunden. Was er beneidenswert fand. Leider liebte er das Stadtleben viel zu sehr, sein schweres Auto, elegante Kleidung, am Wochenende eine Runde Golf, sogar seinen Beruf. Pilar und die Kinder würden über solche Ambitionen nur schallend lachen.
    Zum Schluss entschuldigte Mira sich für ihr Misstrauen, sie wundere sich nur, denn anders als in all den Jahren zuvor sei in den letzten Tagen schon zweimal nach Dietrich gefragt worden. Gestern Abend erst, von zwei Frauen einer deutschen Wandergruppe, die hier Station gemacht und übernachtet hatte. Sie hatten sein Foto gesehen, und eine, die jüngere, habe geglaubt, in ihm einen alten Freund ihres Vaters zu erkennen. Das sei doch seltsam, umso mehr, als schon davor, am vergangenen Freitag, ein Mann die gleichen Fragen gestellt habe. Auch ein Deutscher, angeblich selbst ein Schulfreund. Nein, vor dem Unfall habe niemand nach ihm gefragt, und, nein, Dietrich habe kürzlich auch keinen Besuch gehabt oder ungewöhnliche Anrufe bekommen. Er habe schon seit Ewigkeiten keine Verbindung mehr nach Deutschland. Warum der Inspektor das frage?
    Da musste wieder die leidige Ausrede von der Routine herhalten, von der Berufskrankheit des ewigen Fragens.
    In der Nacht, etwa zur Stunde, in der Dietrich Weber gestorben sein musste, hatte Julián Obanos zu der Absturzstelle geführt. Sie sah nicht besonders gefährlich aus, nicht für jemanden, der sich hier auskannte. Kurz bevor sie das hostal wieder erreichten, hatte Julián gesagt, ihm wäre egal, warum ein Inspektor aus Burgos tatsächlich hier sei, aber er wäre für eine Nachricht dankbar, falls er etwas über Dietrichs Tod herausfinde. Sein Freund habe hier jeden Stein gekannt, es falle ihm schwer zu glauben, dass er einfach so gestürzt sei. Auch an die Sache mit den Wölfen glaube er nicht, die scheuen Tiere

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