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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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in Augsburg und hatten erwachsene Kinder, lebten aber allein. Edith mit der Vorliebe für Pink war Hebamme gewesen. Und Selma mit den graumelierten Locken? Lehrerin für Biologie und Sport, das mochte ihre erstaunliche Fitness erklären, obwohl sie sich, wenn Leo es richtig erinnerte, nach der Geburt ihres zweiten Kindes Heim und Herd gewidmet hatte.
    Edith, die bis zu ihrer Pensionierung vor einigen Jahren neuen Erdenbürgern auf die Welt geholfen hatte, hatte die Bemerkungen ihrer Freundin zu Frauen, die ihre Karriere über das Wohl ihrer Familie stellten, gleichmütig überhört und es Caro überlassen, mit Selma zu streiten. Was der sichtlich gefiel, denn Caro, so versicherte Selma triumphierend, könne das als kinderlose Frau gar nicht beurteilen. Nur wenn man selbst die unlösbare Bindung der Nabelschnur erlebe, sei man da kompetent. Theoretisch sei das nicht zu beurteilen. Die eigentliche Natur der Frau...
    Man müsse auch kein Bratwürstchen sein, um zu wissen, dass es in der Pfanne heiß ist, hatte sich da die sonst so zurückhaltende Eva empört. Das war zwar kein gelungener Vergleich, weil über die eigentliche Natur des Bratwürstchens nun mal wenig bekannt ist und ihm auch die Nabelschnur fehlt. Aber die im anstrengenden Lauf der vergangenen Tage abhandengekommene Harmonie zwischen Caro und Eva war umgehend wiederhergestellt gewesen.
    Hedda war offenbar auf Evas und Caros Seite. Sie hatte geschwiegen, doch beim Stichwort Natur der Frau waren ihre Lippen schmal und ihre Augen dunkel geworden. Womöglich hatte es im Halbschatten unter den Bäumen nur so gewirkt, oder sie hatte an etwas ganz anderes gedacht.
    Dann waren da die Müllers aus Hildesheim. Fritz leitete eine Sparkasse, Rita betrieb einen . So hatte sie es ausgedrückt. Wohnungsausstattungen von der Übergardine bis zum Nippes für den Kamin. Ein Angestellter, gelernter Dekorateur. Darauf war sie stolz. Die Kinderbilder hatte Fritz aus der Tasche gezogen, zwei Knirpse, einer noch mit Zahnlücken. Als Selma Rita nach ihren Fotos fragte, hatte die kühl erklärt, natürlich habe sie auch welche im Hotelzimmer. Sie finde es nicht nötig, ständig Kinderbilder herumzuzeigen. Tatsächlich interessiere man sich doch nur für die eigenen und die Sprösslinge von Verwandten und Freunden.
    Enno Lohwald lebte in Aurich, dort wartete eine Ehefrau auf ihn, die das Wandern verabscheute. Sicher bot dieser Unterschied in den Vorlieben gute Gelegenheiten für die eine oder andere Woche Urlaub von der Zweisamkeit. Enno war Ingenieur, ein Tüftler, er hatte für irgendeinen Konzern gearbeitet und etwas Technisches für die Schifffahrt erfunden, das Leo trotz seiner ausführlichen Erklärung nicht begriffen hatte, weil sie von Technischem, besonders aus der Schifffahrt, wenig verstand. Wenn sie sich auch hier richtig erinnerte, hatte es mit kostengünstiger Reinigung und Entsorgung giftiger Frachtreste von Tankern zu tun. Seine Erfindung hatte ihm zu einem sorgen- und überwiegend arbeitsfreien Leben verholfen. Mehr wusste sie nicht von ihm.
    Doch, noch etwas hatte sie inzwischen bemerkt. Enno war ein tiefgläubiger Katholik. Das hatte sie nicht nur überrascht, weil er aus einer Region stammte, in der Katholiken Seltenheitswert hatten. Nach ihrer Vorstellung zeigte ein tiefgläubiger Mensch Ernsthaftigkeit, Demut, fromme Fröhlichkeit — Eigenschaften, die sie bei Enno nicht entdecken konnte. Natürlich waren das dumme Vorurteile, es gab keinen Grund, an seinem Glauben zu zweifeln. In jeder Kirche, die sie bisher besucht hatten, hatte er sich abseits der anderen in eine Bank gesetzt und still für sich gebetet, jeder Opferstock — es gab hier viele! — wurde von ihm bedacht. Wahrscheinlich war sie wieder einmal zu schnell und unbarmherzig mit ihrem Urteil, und Enno barg eine wahrhaft reine Seele.
    Es war unwahrscheinlich, dass die Müllers, Edith und Selma und auch Enno eine alte Verbindung zu Benedikt hatten.
    Ihr Blick wanderte weiter zu Hedda und Felix. Hedda zerkrümelte ihr letztes Stück Brot vor einer erwartungsvoll herumhüpfenden Großfamilie von Spatzen und wandte Leo im Aufstehen ihr Gesicht zu. Sie sagte etwas zu Felix, der warf lachend den Kopf in den Nacken, und sie lachte auch, leicht, es war nicht viel mehr als ein Lächeln. Aller Missmut war aus ihrem schon leicht von der Sonne gebräunten Gesicht unter den rabenschwarzen Haaren verschwunden, zum ersten Mal sah sie heiter und gelöst aus und ließ erkennen, was sie hinter

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