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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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ihnen zugedacht hatte. Leider war die ganze Pracht vorerst nur durch die Fenster zu genießen und zu erahnen, der Bus rollte immer weiter. Jakob saß, das Mikrophon in der Hand, hinter der Frontscheibe und erzählte, was die Luxuswanderer darüber hinaus nicht oder nur wie auf einer großen Leinwand vorbeigleiten sahen. Da war die elegante romanische über den Río Arga in Puente la Reina, die berühmteste am Jakobsweg, dann die kleine Stadt Estella, ehemalige Königsresidenz mit barocken Stadtpalästen und dem am camino ältesten, aus dem 2. Jahrhundert stammenden Profanbau, schließlich Logroño, die Hauptstadt der Provinz Rioja.
    «Wenn ihr denkt, die vielen Bau- und Kunstwerke aus dem Mittelalter seien in dieser Region wahrhaft alte Zeitzeugen, irrt ihr», erklärte Jakob.
    «Selbst die Hinterlassenschaften der Römer oder Relikte steinzeitlicher Besiedelungen sind in der Provinz Rioja nicht die ältesten. Zwanzig, dreißig Kilometer weiter südlich, dort, wo die Berge ansteigen, kann man rund fünftausend versteinerte Fußspuren von Dinosauriern finden, vor allem von Tyrannosauriern und den fleischfressenden Carnosauriern. Die Wissenschaftler halten die Abdrücke für hundertzwanzig Millionen Jahre alt und zählen sie zu den bedeutendsten auf der Welt. Wenn ihr irgendwann wieder herkommt, um all die phantastischen Klöster, Kirchen und Orte zu besichtigen, die wir auf unserer kurzen Reise auslassen müssen, lohnt sich in dieser Region auch ein Abstecher in die Frühgeschichte. Bei Munilla und Cornago sind die Abdrücke besonders deutlich. Da spitzt man unwillkürlich die Ohren, ob womöglich so ein Carnosaurier mit knurrendem Magen angetrabt kommt.»
    In Nájera lenkte Ignacio den Bus durch enge Straßen auf einen dieser Plätze, wie sie im Süden in jeder Stadt zu finden sind. Unter Bäumen standen Bänke, auf denen alte Männer saßen, rauchten und redeten und mit unbewegter Miene die neue Ladung Touristen beobachteten. Zu ihren Füßen schliefen zwei gescheckte Hunde undefinierbarer Rasse, auf den Stufen eines hölzernen Pavillons hockte eine Clique herablassend grinsender Jungen, ersten Flaum und Pickel am Kinn, Werbetafeln vor einem Kiosk versprachen Bier und Eis, leider war er geschlossen.
    Jakob dirigierte seine Schäfchen gleich weiter über den schmalen Fluss am Rande des Platzes, den Río Najerilla, in die Gassen der Altstadt bis zu dem von zwei Häuserreihen und einem vernachlässigten ummauerten Garten begrenzten Platz vor Kirche und Kloster Santa María La Real. Hier herrschte erst recht die träge Ruhe des frühen Nachmittags. Die halbrunden bräunlichen Ziegel, mit denen die Dächer des Klosters und der Häuser gedeckt waren, gaben der ganzen Altstadt eine sepiabraune Anmutung.
    Leo fand es aufdringlich, wenn Touristen ausgerechnet auf den Bänken der Kloster-Plaza Käse, Paprika, Melonen, chorizos, die scharfen spanischen Mettwürste, und Brote aus ihren Tüten packten und ihr Mittagspicknick zelebrierten. Doch die meisten Fenster waren gegen die Sonne verschlossen, und die wenigen Passanten, Frauen mit Einkaufstaschen oder Männer in Arbeitskleidung, beachteten die Gruppe unter den jungen Platanen kaum. Vor Jahrhunderten hatte ein bedeutendes Hospiz zum Kloster gehört, und auch jetzt befand sich die Pilgerherberge, mit ihren drei Stockwerken eine der größeren am camino, direkt daneben. In diesem zwischen dem Río Najerilla und einem Felsmassiv eingeklemmten alten Stadtviertel war man den Anblick Fremder mit sonnenverbrannten Gesichtern und staubigen Wanderstiefeln gewohnt. Auch solcher, die nicht unbedingt dem Muster frommer Pilger entsprachen.
    In wenigen Wochen musste der Platz einem schnatternden Heerlager von Wanderern gleichen, die Ferienmonate im Sommer bedeuteten trotz der Hitze auch für Jakobspilger Hauptsaison. Sie kamen vielleicht nicht aus aller Welt, aber aus ganz Europa und Nordamerika, zumeist im Studenten- oder im Rentneralter. Nur wenige Menschen in den mittleren Jahren erlaubten sich eine wochenlange Auszeit, die waren eher unter Mitgliedern von Reisegruppen zu treffen, die wie diese den größten Teil der Strecke im Bus absolvierten und so schneller ans Ziel kamen. Man erkannte sie an dem leichten Tagesrucksack und den stets frischgewachsten Stiefeln.
    Auch die meisten US-Amerikaner waren einfach auszumachen. Nämlich an der auf den Rucksack genähten heimatlichen Nationalflagge und ihrer Neigung, die Ruhe und Eintönigkeit des Gehens mit weithin

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