Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
perfekten Make-up beneidenswert kühl und makellos. Leo schwitzte immer noch. Die Wärme des Tages stand auch am späten Nachmittag noch in den Räumen. Von der Wanderung fühlte sie sich immer noch aufgeheizt, als könne sie nie wieder frieren. Trotz eifrigen Einsatzes von Sonnenmilch zeigten ihre Schultern, Stirn und Nase die Farbe reifer Tomaten.
    Jakob bemerkte sie nicht. Als er mit langen Schritten zum Ausgang eilte, folgte sie ihm auf die Straße.
    «Ich komme mit zu Benedikt», sagte sie. «Du hast sicher nichts dagegen.»
    Das war keine Frage, und Jakob widersprach nicht. Ohne die professionelle Miene steter Heiterkeit sah er unter der Sonnenbräune bleich und müde aus, nun spiegelte sein Gesicht Erleichterung.
    Die Taxifahrt zum Hospital General Yague in einem nordöstlich gelegenen Teil der Stadt war kurz, sie redeten wenig unterwegs. In der Vorhalle des Krankenhauses blieb Jakob seufzend stehen.
    «Ich habe es vor der Gruppe ein bisschen schöngeredet», erklärte er, «weil ich keine schlechte Stimmung verbreiten wollte. Benedikt ist zwar das, was die Ärzte lapidar nennen, aber es geht ihm nicht gut. Also erschrick nicht, wenn du ihn siehst.»
    Die Señora am Empfang musterte sie streng. Besuche auf der Intensivstation seien nur Verwandten erlaubt, erklärte sie, dann griff sie doch zum Telefon, um Señor Seifert und — nach kurzem, abschätzend zweifelndem Blick — seine esposa zu melden. Sie nannte ihnen Stockwerk und Zimmernummer und widmete sich wieder ihrem Kreuzworträtsel.
    «Entschuldige, wenn ich dich zu meiner Ehefrau gemacht habe», raunte Jakob Leo auf der Treppe zu, «du hättest sonst nicht mit hineingedurft. Als Benedikts Frau kann ich dich schlecht ausgeben, der Arzt hat gestern am Telefon von Nina als der Verlobten seines Patienten gesprochen. Wir wollen Benedikt nicht zum potenziellen Bigamisten machen.»
    An der Tür zur Station empfing sie eine rosige Lernschwester und reichte ihnen sterile Kittel. Der Señor und die Señora möchten im Flur Platz nehmen, sagte sie, Dr. Helada sei noch beschäftigt, er komme gleich.
    Gleich erwies sich als dehnbarer Begriff. Dumpfe Stille lag über dem Flur, nur aus den Räumen hinter dem abknickenden Gang kamen schwache Geräusche, leise, stets eilige Schritte, einmal auf quietschenden Gummisohlen, einmal waren es laufende Schritte, begleitet von einer Frauenstimme, die knappe, hastig ausgestoßene Anweisungen gab. Jedenfalls klang es nach Anweisungen. Leo verstand kein Wort und hoffte, sie beträfen nicht Benedikt. Dann war es bis auf entfernt summende und piepsende Geräusche, wieder gedämpfte Stimmen und gelegentlich Schritte, still genug, um Jakobs immer gleichmäßiger werdenden Atem zu hören. Er war, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf an die Wand gelehnt, eingeschlafen. Leo fand, sie habe lange genug gewartet. Sie erhob sich behutsam von dem knarrenden Stuhl und machte sich auf den Weg zu Zimmer 321.
    Jakobs Warnung nützte wenig. Sie erschrak. Im ersten Augenblick war sie nicht einmal sicher, ob der mit Schläuchen und Kabeln an Geräte mit stoisch blinkenden elektronischen Anzeigen angeschlossene wachsbleiche Kranke wirklich Benedikt war. An seinem Bett saß eine blonde Frau, sie kehrte Leo ihren schmalen Rücken zu. Nina? Nur die Farbe des Haares war ähnlich. Es musste Ruth Siemsen sein, Benedikts Mutter. Sie saß weit vorgebeugt, ihre Hand über der ihres Sohnes auf der Bettdecke. Sie sprach leise, Leo glaubte für einen Moment, Jakob sei falsch informiert und es gehe Benedikt besser, gut genug, um sich zu unterhalten, zumindest zuzuhören. Doch er war ohne Bewusstsein, sein Mund von einem Beatmungsschlauch verschlossen. Ruth Siemsen flüsterte zärtlich wie zu einem trostsuchenden Kind, sie sprach von der wunderbaren Sonne und der schönen Altstadt, die draußen auf ihn warteten, von dem Tag, als es ihm zum ersten Mal gelungen war, den ganzen Teich zu durchschwimmen, von den Bäumen, auf die er so gerne geklettert war, wie sie sich damals geängstigt und doch stolz auf seinen Mut gewesen war, furchtbar stolz. Dass er bald wieder gesund werde, ganz und gar gesund, und dann...
    Im leisen Ton der Stimme mischten sich liebevolle Erinnerung und Aufmunterung mit Angst und verzweifelter Hoffnung. Leo störte einen Moment der Intimität, wie es ihn nur zwischen einander zutiefst verbundenen Menschen gibt. Sie wollte fortschleichen, da wandte sich Frau Siemsen um.
    «Wer sind Sie?», fragte sie, schüttelte irritiert den

Weitere Kostenlose Bücher