Tod Auf Dem Jakobsweg
Stimme. «Ich habe eine Information für Sie,gratis. Ihr Problem ist, wie es scheint, nur halb bereinigt. Sie haben schlecht recherchiert, es gibt noch jemanden, der Ihren Plänen im Weg ist.»
«Woher wissen Sie das? Woher wissen Sie, ob mich das interessiert? Und worum es überhauptgeht? Sie hatten einen Auftrag, mehr hat Sie nicht zu interessieren.»
Für einen Moment war es still am anderen Ende der Leitung. «Gründlichkeit gehört zu meinemMetier», sagte die Stimme dann mit einem Anflug müder Ungeduld. «Meine Kunden erwarten saubere Ausführung, dazu gehört die entsprechende Vorarbeit. Das ist förderlich für das Geschäft und unerlässlich für meine Sicherheit. Ich handle nicht mit Bananen, das sollten Sie bedenken. Dies ist nur eine Information — hätten Sie Ihren Teil der Vorarbeit geleistet, wäre sie überflüssig. Nun können Sie überlegen, ob Sie meinen Auftrag erweitern wollen. Oder ob Ihnen detaillierte Informationen reichen. Ich dränge mich nicht auf, es ist Ihre Entscheidung. Überlegen Sie schnell. Ihnen läuft die Zeit davon, und mein — Urlaub dauert nicht ewig.»
Ein sanftes Klicken zeigte, dass das Gespräch beendet war. Wie immer war es kurz gewesen,zweimal hatte er es abgebrochen, nur um eine halbe Stunde später wieder anzurufen und es fortzusetzen. Die Stimme schnarrte noch in seinem Kopf: «Sie hätten es wissen müssen... läuft die Zeit davon... noch jemanden...» Die Worte, die Sätze — und was sie bedeuteten. Eine hilflose Wut auf diese Stimme stieg in ihm auf, diese verzerrte Maschinenstimme, die nicht einmal erkennen ließ, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte.
Er hatte gedacht, es sei vorbei. Das war ein Irrtum.
Eine heftige Bö rüttelte am Fenster und jagte hektische kleine Wellen über die dahinterliegendeWasserfläche. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, kämpften mit ihren Paddeln gegen den Wind, doch der trieb ihr schaukelndes Schlauchboot vom Ufer weg und immer weiter auf die Brücke zu.
Kinder? Ein Kind?
Abrupt wandte er dem Fenster den Rücken zu und starrte auf das Telefon. Er wusste nicht, ob erauf das nächste Klingeln hoffte. Aber er wusste, dass er sich davor fürchtete.
Leo hatte sich gegen Migräne und für eine Magenverstimmung entschieden. Ihre leidende Miene und die ausführlich dargelegte Vermutung, der Fisch, den sie am Paseo del Espolón gegessen habe, müsse daran schuld sein, fielen so überzeugend aus, dass auch Selma umgehend Übelkeit spürte und verkündete, sie müsse ebenfalls auf den Ausflug verzichten, werde den reizenden Señor Saura am Empfang um eine Wärmflasche und eine Tasse Kamillentee bitten und sich zu Bett begeben.
«Du kommst mit», protestierte Edith energisch, «das geht vorbei, und die Bewegung wird dir guttun. Außerdem hast du etwas anderes gegessen als Leo, nur ein Kartoffelomelett mit grünem Salat, und vor fünf Minuten ging es dir noch fabelhaft. Du kannst den heiligen Domingo von Silos um Hilfe bitten, du darfst ihn nur nicht mit seinem Namensvetter von Calzada verwechseln.» Dass die bedeutenden Männer des Mittelalters so wenige Namen zur Auswahl gehabt hätten, führe doch zu mancher Verwirrung.
Leo stand in ihrem Zimmer hinter der Gardine und beobachtete, wie sich die Gruppe vor dem Hotel sammelte und gemeinsam zum Arco de Santa María marschierte, vor dem Ignacio mit dem Bus wartete. Selma ging munter plaudernd neben Jakob an der Spitze. Enno fehlte, doch als Leo schon überlegte, ob es besser sei, in der Altstadt nach einem Internetcafe zu suchen, damit er die vermeintlich Kranke nicht putzmunter bei der Schnüffelei erwischen konnte, trat er auf die Straße und eilte der Gruppe nach.
Die Hotelhalle war bis auf den reizenden Señor Saura hinter dem Empfangstresen verlassen, der Platz vor dem Gäste-Computer leer. Er stand in einer Nische nahe dem Empfang, eine Reihe von üppigen Grünpflanzen schützte vor Störungen und gewährte Diskretion.
Leo begann ihre Suche mit den Namen und dazugehörigen Wohnorten. Unter den Stichworten «Edith Wendel» und «Selma Enkenbach» aus Augsburg fand die Suchmaschine keine «übereinstimmenden Dokumente». Unter «Eva Boll Hannover» gab es einige Fundstellen, die sich auf eine Wiener Werbekauffrau bezogen, eindeutig eine andere Eva Boll. Helene Vitus tauchte auf der Homepage ihrer heimischen Stadtverwaltung als Sachbearbeiterin im Gartenbauamt auf, als Mitglied des Rudervereins war sie nach einer zwei Jahre alten Zeitungsmeldung mit ihrem Vierer als
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