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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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beobachtete das Flackern der kleinen Lichter, die hier nur winzige Glühbirnen waren, und spürte wieder diesen zähen Rest des nagenden Schmerzes, der ihre Kindheit und Jugend begleitet hatte. Ganz würde er wohl nie vergehen.
    Sie glaubte nicht wirklich an die Kraft der Kerzen, doch an das uralte symbolische Ritual der Hoffnung und der Erlösung aus der Finsternis. Es berührte sie, die sich für eine Ungläubige hielt, tiefer, als sie je zugegeben hätte. Sie gaben ihr das warme Gefühl der Verbindung zu den Menschen, für die sie die Kerzen entzündete.
    Eine Klasse spanischer Schulkinder drängelte sich fröhlich polternd und schnatternd in die Kapelle, dreißig kleine Mädchen, uniformiert in rot-grün karierten Röcken, weißen Blusen und dunkelblauen Strickjacken. Leo nutzte die erste Lücke in dem Gewusel, um zurück in das Hauptschiff zu gelangen.
    Und dann, im linken Arm des Querschiffes nahe der berühmten Goldenen Treppe, einem von der Renaissance geprägten Meisterwerk, sah sie Nina. Oder nur eine junge Frauengestalt, die ihr glich? Als Leo ihren Namen rief, fuhr sie herum — es war Nina. Ihre Blicke trafen sich, und es sah aus, als wolle sie Leo entgegenkommen. Doch dann trat sie einen Schritt zurück und wandte sich um, hastig, als habe sie von anderswo einen warnenden Ruf gehört. Eine dichtgeschlossene Gruppe Nonnen, geführt von einem Priester, der die heilige Kunst erläuterte, schob sich einer schwebenden Mauer aus schwarzen Gewändern und Schleiern gleich zwischen sie. Als sie vorüber waren, war auch Benedikts Freundin verschwunden.
    , dachte Leo. Warum? Auch über eine Entfernung von zehn oder fünfzehn Schritten hatte Nina müde und grau ausgesehen. Versteinert. Und sehr allein.
    Vor dem Hauptportal traf Leo wieder auf ihre Gruppe.
    «Wo warst du?», fragte Felix leise, während Jakob das Programm für den Rest des Tages in Erinnerung rief. «Wir haben dich vermisst.»
    «Meine Sünden beichten.» Leo amüsierte sich über Felix’ verblüfftes Gesicht.
    «Du auch?»
    «Auch? Wer noch?»
    «Enno. Ich habe ihn in einem der Beichtstühle verschwinden sehen, er ist noch nicht zurück Was sollte er dort sonst machen?»
    «Wahrscheinlich warnt er den Priester vor der ETA. Habt ihr Nina gesehen?»
    «Ist sie hier?» Felix reckte den Hals und sah sich suchend um.
    «Ich habe sie gerade in der Nähe der Goldenen Treppe entdeckt, allerdings verschwand sie gleich wieder. Sie muss hier vorbeigekommen sein.»
    «Ich habe sie nicht gesehen. Hey», wandte er sich an die anderen, «habt ihr Nina gesehen? Leo sagt, sie ist hier.»
    « War hier», korrigierte Leo.
    Niemand hatte Nina gesehen.
    «Wir sollten sie suchen», schlug Rita vor, «es geht doch nicht, dass ein Mitglied der Gruppe einfach abhaut, ohne Bescheid zu sagen.»
    «Lass sie doch», fand Fritz. «Sie wird schon wissen, was sie tut, und so richtig gehört sie ja nicht mehr zur Gruppe.»
    «Das arme Mädchen», murmelte Edith, «ganz allein mit ihrem Kummer in einer fremden Stadt», und Leo sagte: «Vielleicht habe ich mich geirrt.»
    Dann wanderten alle erschöpft von der langen Führung und der Flut der Bilder ohne weiteren Kommentar zum Westportal, um in einem der umliegenden Restaurants zu einer frühen Mittagsmahlzeit einzukehren, bevor die Fahrt zu dem Benediktinerkloster Santo Domingo de Silos und einer anschließenden Wanderung durch die Yecla-Schlucht begann. Der Weg entlang der engen Schlucht, kaum mehr als ein schrundiger Spalt mit überhängenden Felswänden über einem reißenden Bach, erforderte Trittsicherheit, Jakob hatte empfohlen, möglichst wenig in die Rucksäcke zu packen.
     
    Kein tiefes Blau heute, nur Grau, schmutziges Grau. Wie das der tiefhängenden Wolkendecke. Sein Blick krallte sich an der unruhigen Wasserfläche der Bille fest, sie bot keinen Halt.
    «Warum sind Sie nicht längst verschwunden?», zischte er in das Telefon und dachte: So einDilettant. Oder er will mich erpressen. Von wegen Auftrag erledigen, Geld auf das Nummernkonto und dann auf Nimmerwiedersehen. «Was tun Sie dort noch?»
    Durch das Telefondrang ein Geräusch, das entfernt einem unfrohen Lachen glich. «Das geht Sie nichts an», sagte die metallische Stimme. «Nennen wir es einfach Urlaub. Es ist schön hier, jede Menge frische Luft. Das sollten Sie auch mal probieren, Sie klingen gestresst.»
    «Machen Sie woanders Urlaub, verdammt Wenn Ihnen jemand auf die Spur kommt...»
    «Ich hinterlasse nie Spuren», unterbrach ihn die

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