Tod Auf Dem Jakobsweg
Dritte durchs Ziel gegangen. Weitere Meldungen über sportliche Aktivitäten gab es nicht, offenbar hatte sie sich vom Rudern oder der Teilnahme an Regatten verabschiedet.
Über Sven Bowald verriet das Netz, er dribbele in der Altherrenmannschaft als Libero und sei Verkäufer im Autohaus Mappe & Sohn. Über dessen Homepage wiederum erfuhr Leo, dass Sven im vergangenen Jahr zum Verkäufer des Jahres seines Bezirks gekürt worden war. Ein Foto von mangelhafter Qualität zeigte ihn mit der Urkunde in der Rechten und einer Champagnerflasche in der Linken. An seiner Seite lächelte eine unbenannte junge Dame mit sehr schönen Zähnen, die Helene nicht im mindesten glich, was aber nichts aussagte. Sicher hatte sie als Glücksfee den Champagner überreicht. Auch Sven sah sich auf dem Foto wenig ähnlich. Sein Haar war vor einem Jahr länger gewesen, sein Gesicht wirkte schmaler, und obwohl er tatsächlich jünger war, wirkte er älter als jetzt. Fotos sagen nicht immer die Wahrheit.
Eine Carola Finke gab es als Mitarbeiterin einer Brandenburger Bank, also war es die falsche, auch Caro Finke blieb ohne Ergebnis. Einen Enno Lohwald kannte das ganze weltweite Netz ebenfalls nicht. Das war seltsam, wer eine lukrative technische Neuerung entwickelt hatte, müsste doch zu finden sein. Im Zweifelsfall über die Firma, für die er gearbeitet hatte, oder über die Bezeichnung der Erfindung selbst — Leo wusste weder die eine noch die andere.
Bei Felix Bernulf wurde sie wieder fündig. Was hatte er bei der Vorstellung gesagt? Er habe gerade sein Studium der Geowissenschaften mit dem Schwerpunkt Paläontologie in Hamburg abgeschlossen? Das mochte sein, hier tauchte er mit seinem in der Liste vermerkten Wohnort Bremen auf einem Aufruf zur «wehrhaften Demonstration» gegen einen Transportzug radioaktiver Abfälle nach Gorleben als Mitorganisator auf. Interessant, in Bezug auf Benedikt jedoch ohne Belang.
Weiter. Hedda Meyfurth — Fehlanzeige. Es gab nur einen Lothar Meyfurth im Abiturjahrgang 1962 eines nordhessischen Gymnasiums. Da war Hedda noch nicht einmal geboren. Vielleicht war dieser Lothar ihr Vater, das half auch nicht weiter.
Blieben noch die Müllers, Nina und, ja, auch Benedikt.
Mit seinem Namen setzte sie die Suche fort. Benedikt Siemsen war auf der Liste der Rechtsanwälte und Notare einer großen Hamburger Kanzlei aufgeführt. Einer sehr großen Kanzlei. Leo zählte sechsundzwanzig Namen und Hinweise auf vier Dependancen in anderen europäischen Städten, dazu je eine Kooperationskanzlei in New York und Kapstadt. Elf der deutschen Anwälte und Notare waren promoviert, zwei habilitiert. Keine denkbare Sparte fehlte, Benedikt gehörte zu den auf Strafrecht spezialisierten Anwälten. In Klammern war Wirtschaftsrecht vermerkt, was immer die Klammern bedeuten mochten.
Das klang nach großen Fischen. Und nach einer guten Chance auf sehr viel Ärger. Benedikts Name fand sich als vorletzter auf der Liste seiner Abteilung, Leo schloss daraus, dass er noch am unteren Ende der Anwaltshierarchie ackerte. Das passte zu seinem Alter, wenn er aber überhaupt in einer solchen Kanzlei angestellt war, musste er sehr gut sein. Und schon ziemlich gut verdienen.
Sie gab den Namen der Kanzlei ein — und stöhnte. Es machte wenig Sinn, in dieser Flut von Meldungen zu suchen. Es sei denn... Sie fügte dem Kanzlei-Namen das Wort Spanien hinzu. Das war schon besser: nur noch sechsundzwanzig Meldungen. In einigen ging es um Immobilien, zumeist an der Costa del Sol gelegen, in anderen um eine Reihe von Prozessen, die im vergangenen Jahr nicht nur die Stadt an der Elbe als ihren Schauplatz in Atem gehalten hatte, die ganze Republik hatte die Berichte über das Labyrinth aus Betrug, Korruption, Geldwäsche und, und, und verfolgt. Noch waren nicht alle Prozesse abgeschlossen, bei den Ermittlungen — als sie denn endlich aufgenommen worden waren — waren immer neue Eiterbeulen aufgebrochen. Die Angeklagten waren ein Clan von Brüdern oder Cousins und Freunden, die meisten stammten ursprünglich aus Serbien und hatten es mit vermeintlich ehrbaren, weitverzweigten Geschäften zu einem immensen Vermögen gebracht. Es wurde von Waffen- und Drogenhandel geredet, von Prostitution, Anlagebetrug mit Offshore-Deals, von so gut wie allem das schnell das ganz große Geld brachte, und das scheffelte sich selten legal. Es war den Männern mit ihren guten Verbindungen zu Wirtschaft und Politik lange gelungen, nach außen das Image honoriger Kaufleute
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