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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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die Schönheit ihr unbekannter, urzeitlich wirkender Staudengewächse mit fasrigen oder bauschigen weißen und blauen Blüten und Dolden. Es gelang ihr schlecht. Nina war wieder da, Leo hatte Fragen und hoffte auf Antworten. Sie ließ die Gesichter Revue passieren, die sich Nina zugewandt hatten, als sie plötzlich hinter ihnen gestanden hatte. Jakob hatte gewusst, dass sie dort warten würde. Warum hatte er es nicht vorher gesagt? Es war doch eine gute Nachricht.
    Die Gesichter, an die sie sich erinnern konnte, blieben vage und verrieten nichts. Selbst Helene, die ihre Gefühle selten verbarg und noch vor wenigen Tagen entschieden verkündet hatte, es sei undenkbar, einen schwerverletzten Freund zu verlassen, hatte geschwiegen und Nina wohlwollend zugenickt.
    Leo hätte gerne gewusst, ob Ruth Siemsen Nina tatsächlich um eine Fürbitte für ihren Sohn gebeten hatte. Wenn es stimmte, bedeutete es zugleich, dass sich die beiden Frauen, die Benedikt am meisten liebten, begegnet waren und ihre Vorbehalte überwunden hatten.
    Der Weg kreuzte die ansteigende Passstraße, ein Jeep und ein Reisebus fuhren vorbei, brachten den Geruch der Städte in die Berge und verschwanden lärmend um eine enge Kurve. Ein Stück weit folgte der camino der Straße, dann führte er wieder schmal und ausgetreten durch die stachelige Macchia. Einmal überholten sie zwei Wanderer, die mit den üblichen schweren Rucksäcken bergauf trotteten, einmal entdeckten sie in einer Senke die dachlose Ruine eines Gehöfts aus grobem Stein, einmal hörten sie hoch am Himmel das entfernte Brummen eines Flugzeugs. Sonst gab es nichts, das an die Zivilisation erinnerte, bis Foncebadón erreicht war.
    Der winzige Ort stand seit Jahrzehnten im Ruf eines Geisterdorfes, doch die steigende Popularität des camino hatte eine Handvoll Menschen angelockt. Zwischen selbst in der Sonne gespenstisch wirkenden Mauerresten und maroden Häusern aus bröckelndem Stein und vom Alter mürbem Holz standen einige restaurierte Häuser. Dennoch wirkte das Dorf verlassen, außer ein paar mageren Hühnern und einem träge im Staub liegenden schwarz-weißen Hund war kein Lebewesen zu sehen. Schwer vorstellbar, dass dies einst eine bedeutende Station des Jakobsweges gewesen war. Hier war sogar ein Konzil abgehalten worden, allerdings vor mehr als tausend Jahren. Eine überaus gebräuchliche Zeitspanne in der Geschichte der Region.
    Am Ortsausgang, auf einem etwas erhöht liegenden blühenden Wiesenstreifen vor dornigem Gebüsch, warteten die Schnellen im Schatten knorriger Apfelbäume auf die Nachzügler. Nina stand über eine Tränke gebeugt, in deren Becken klares Quellwasser floss, und füllte ihre Trinkflasche auf.
    «Ich habe mich noch nicht bei dir bedankt», sagte sie, als auch Leo ihren Wasservorrat ergänzte. «Das möchte ich jetzt nachholen. Und Ruth», fügte sie mit dem Anflug eines verschmitzten Lächelns hinzu, «hat auch nur lobende Worte für dich. Ich kenne sie wenig, aber ich bin sicher, dass sie damit sehr sparsam ist. Habt ihr euch im Hospital kennengelernt?»
    «So in etwa. Versteht ihr euch gut?», fragte Leo mit unschuldigem Blick.
    «Ich glaube schon. Ja, inzwischen geht es gut.»
    Nina blickte Leo prüfend an. Sie war blass und angespannt. Leo spürte, dass sie etwas sagen wollte. Vielleicht etwas fragen? Doch das war reine Projektion. Nina senkte den Kopf, drehte ihre Wasserflasche zu und verstaute sie in ihrem Rucksack.
    Zum Hostal in den Bergen über Foncebadón zweigte ein sandiger, heftig ansteigender Weg ab. Nach einer Viertelstunde war das Ziel erreicht. Es stand in einer gegen die kalten Bergwinde schützenden Mulde, die im weiten Rund von schroffen Felsen umgeben war. Kermeseichengesträuch, mit den stachelspitzen harten Blättern undurchdringlich, durchzog sie wie dunkelgrüner Pelz.
    «Ach du meine Güte», keuchte Rita, noch atemlos vom Aufstieg, und Leo stupste Fritz lachend ihren Ellbogen in die Seite.
    «Wie gefällt dir das, Fritz? Nach dem vollklimatisierten Glaspalast in León eine Hobbit-Unterkunft.»
    Fritz bewies unerwartet Galgenhumor. «Wer sich auf eine Pilgerei begibt», knurrte er, «kommt darin um.»
    Die Herberge war ein Konglomerat aus einem einstöckigen Steinhaus mit tiefgezogenem Schieferdach und hölzernen Anbauten, deren phantasievolle Gestaltung weniger auf einen professionellen Architekten als auf Eigeninitiative schließen ließ. Gelb- und weißblühende Rosenstöcke in Kübeln links und rechts der Eingangstür, ein paar

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