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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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gelungen.«
    »Ich brauche eine gute Bewertung.«
    »Ich auch.«
    »Die beiden letzten waren schlecht. Man hat schon aus Chicagoangerufen. Wir rangieren grad mal auf dem fünften Platz unter den Schiffen.«
    »Ich werde mein Bestes geben.«
    »Das neue Programm macht mir etwas Sorgen. Alles kann passieren. Das Delta ist eine echte Wildnis.«
    »Das schaffen wir schon. Ich achte auf alles. Keine Angst.«
    Das »Rating« füllten die Passagiere am Ende einer Schiffsreise aus. Ein schlechtes Ergebnis konnte den Rausschmiss bedeuten. Das Verhalten von Touristen und Personal wurde permanent von idiotischen ADC-Marketingmenschen analysiert. Langweilige, sture Beamte, die ihr Büro ein Leben lang nicht verließen, sie verbrachten insgesamt eine ganze Stunde (beim feierlichen Empfang) an Bord, in der Schifffahrt kannten sie sich angeblich ganz toll aus, und so sparten sie nicht an idealen Lösungen, die sie aus dem Ärmel schüttelten – bei einer Skype-Konferenz aus Chicago.
    Auch die Besatzungsmitglieder waren verpflichtet, sich gegenseitig und schriftlich zu bewerten. Die Kollegen zitterten alle um ihre Posten, da die Arbeitsplätze am Schiff heiß umkämpft waren. Man musste taktisch vorgehen. Wie präzise und ausgetüftelt das Entlassungssystem war, rief Staunen und Entsetzen in Martin hervor. Er arbeitete eigenständig, zugleich war er jedoch Chicago, dem Kapitän und auch noch dem Ersten Offizier unterstellt, wobei die Befehle von oben auch einzelne hierarchische Stufen überspringen konnten. Jedes Detail, bei der Kleidung angefangen bis hin über die Art zu gehen, wurde hier als Vorwand genommen, um jemanden anzuschwärzen. In den wenigen freien Augenblicken hielt er sich meistens von allen fern, er blieb am liebsten allein. So hatte er bereits drei Saisons überlebt. Jedes Jahr wurde mehr als die Hälfte des Personals ausgewechselt. Und bei der Entlassung wurde mit den Mitarbeitern nicht wie mit Direktoren umgegangen.
    Früher dachte Martin noch, dass diese Fragebögen niemand so richtig lesen würde. Doch bei der ADC wurden die Formulare mit einer solch fanatischen Akribie überprüft, die man wohl nur mit jenerder Geheimpolizei eines totalitären Regimes vergleichen konnte. Jedes Adjektiv, jedes Füllwort wurde analysiert und ausgewertet. Nur das allergrößte Lob zählte, und es drückte sich in dem Wort »exzellent« aus. Dies hatte zur Folge, dass Martin und andere Besatzungsmitglieder dieses Wort in jeden nur denkbaren Satz schmuggelten und den Amerikanern deswegen »einen exzellenten guten Morgen« und einen »exzellenten guten Appetit« wünschten oder solchem Unsinn absonderten, wie »War Ihr Ausflug auch exzellent?« oder »Haben Sie heute exzellent geschlafen?«.
    Er ging hinein. Auf dem passagierlosen Schiff herrschte Totenstille. Hinter der Bar putzte der Kellner die Gläser. Die hermetisch verschlossenen Fensterläden wurden mit Wasser und Spülmittel bespritzt. Endlich hatte er Zeit, seine Sachen auszupacken und sich auf seine Aufgaben vorzubereiten. Am liebsten hätte er sich hingelegt, es wartete allerdings noch viel Arbeit auf ihn. In den letzten zwei Saisons hatte er seine Kajüte mit zwei Mechanikern geteilt. Niemand schläft gern mit anderen. Fremde Leute gingen im Raum herum, verschoben die Möbel, soffen sich unter den Tisch, spielten Tarock auf seinem Computer. Nun hatte er endlich seine eigene Kajüte, obwohl sie zu den kleinsten an Bord zählte.
    Er packte aus, machte im Bad etwas Ordnung und las sich das Programm für die nächsten Tage durch. Er rief die Agenten der Reisebüros an und bestätigte die Busbestellungen und Zufahrtsbewilligungen ins Zentrum. Er überlegte, ob er nicht noch etwas vergessen hatte, konnte sich aber vor lauter Müdigkeit kaum konzentrieren. Von der Passagierliste versuchte er sich möglichst viele Namen einzuprägen: Jeff, Foxy, Jonathan, Arthur, Catherine, Peggy, Gordon, Ashley, Barbara, Clark – eine schwierige Aufgabe, die jedoch Früchte trug.
    Er hoffte, von den Amis mit einem guten Trinkgeld belohnt zu werden. Wie bei amerikanischen Touristikunternehmen üblich, bekam er kein Gehalt, er lebte nur vom Trinkgeld der Gäste. Nach seiner ersten Reise öffnete er in einem Bukarester Hotelzimmer zögerlich die Kuverts mit seinem Namen und leerte allen Inhalt aufs Bett.Er streckte seine Hand aus und berührte die Dollarnoten – ein ganz schöner Haufen. Noch mehr freute er sich über Euros. Er ließ sie durch die Finger gleiten und kostete den Kontakt mit dem

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