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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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geraden Nase, doch hinter ihren schwarz geschminkten Augen vermutete er einen schlummernden Vulkan. Sie trug auffällige Kleidung und bemühte sich wohl darum, einen jugendlichen Gesamteindruck zu vermitteln. Ihre lackierten Nägel sahen aus wie Blutstropfen. Aufmerksam musterte sie das Martini-Glas, welches ihr der Kellner reichte, sie wischte den äußeren Rand mit einem Desinfektionstuch ab. Langsam öffnete sie ihre schmale Krokodillederhandtasche und zauberte eine längliche Börse aus dem Reptil hervor. Mit ernster Mimik reichte sie Martin einen Dollarschein.
    »Das ist für den Transport vom Flughafen«, kommentierte sie.
    »Vielen Dank, das wäre nicht nötig gewesen«, erwiderte Martin und verabschiedete sich.
    Er kam vom Regen in die Traufe. Ein paar Minuten lang versuchte er, sich mit Gordon Murphy zu verständigen, einem Mann mit von Pockennarben entstelltem Gesicht, dessen Kopfhaut mit Schuppen übersät war. Wenn dieser den Mund öffnete, schien seine Sprache nur aus Vokalen zu bestehen.
    »Gefällt Ihnen Ihre Kajüte?«, fragte Martin.
    »Eeeee?«, rief der Mann.
    »Sind Sie mit Ihrer Kajüte zufrieden?«, wiederholte Martin.
    »Aaaaa!«
    Unwillkürlich zuckten Martins Wangen. Er rieb sie diskret mit den Fingerspitzen und gab sich alle Mühe, gefasst zu bleiben.
    »Ich wünsche Ihnen eine gute erste Nacht am Schiff!«, verabschiedete er sich an der Tür. »In dieser Nacht werden angeblich alle Wünsche wahr. Ruhen Sie sich aus. Morgen erwartet Sie ein exzellentes Programm!«
    »Auch dir eine gute Nacht. Danke für den wunderbaren Abend!«
    »Ich danke Ihnen. Gute Nacht!«
    Foxy blieb. Sie wedelte mit ihrem Fächer und sah ihn an. Dann forderte sie ihn zum Tanz auf, nach dieser Nummer waren sie die Einzigen auf dem Parkett. Sie lächelte, schaute ihm in die Augen und blinzelte. Er spürte ihren Puls an seiner Brust. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Woher bist du, wenn die Frage erlaubt ist?«, wollte er wissen. Englisch bot ihm die wunderbare Möglichkeit zwischen Du und Sie nicht entscheiden zu müssen; es klang weder unhöflich, noch zu zugeknöpft.
    »Ich bin aus Donau«.
    »Entschuldige, ich verstehe nicht«, sagte er lächelnd.
    »Aus Donau in Amerika. Aus einer Kleinstadt im Norden der USA, Minnesota um genau zu sein, wenn dir das etwas sagt.«
    »In Amerika war ich noch nie. Und doch bin ich jeden Tag dort. Wie viele Einwohner hat Donau?«
    »Ungefähr fünfhundert. Jedes Jahr werden es weniger. Du kannst dir vorstellen, warum …«
    »Nein. Wie lebt es sich denn so bei dir?«
    »Super. Donau liegt am Highway 212, das ist eine ziemlich wichtige Straße.«
    »Ich wusste, dass es in Amerika ein Paris, Moskau und St. Petersburg gibt. Doch ich hatte keine Ahnung, dass es dort auch ein Donau gibt.«
    »Die Stadt wurde 1901 gegründet. Was sagst du zu den Alten? Es muss schrecklich für dich sein.«
    »Auf den Schiffsreisen dominieren nun mal die Pensionisten. Dabei wäre es auch ein toller Urlaub für ein jüngeres Publikum.«
    »Nur haben die in Amerika kein Geld«.
    »In Europa erst recht nicht. Ich wäre aber nicht hier, wenn ich diese Arbeit so gar nicht aushalten würde. Was machst du denn?«
    »Ich bin Juristin mit eigener Firma und vier Angestellten. Kinderlos. Geschieden. Und du? Bekommst du regelmäßig Heiratsanträge von alten Damen?«
    Kokett wandte sie ihm den Kopf zu, und Martin fühlte sich unwohl. Ihre Augen loderten.
    »Wie es eben so ist. Ich bin allerdings Single«.
    »Das kann ich nicht wirklich glauben.« Mit der Hand fuhr sie ihm durchs Haar. Das war jetzt eindeutig zu viel. »Was machst du denn, wenn du frei hast und mal nicht allein auf Urlaub fährst?« Sie fasste seine Hand und drückte sie. Ihr Atem ging schneller. »Ich spiele Tennis und Golf. Und unterhalte mich gern mit angenehmen Menschen, ich freue mich einfach, wenn ich jemand kennenlerne, der es wert ist … Martin … zu dir oder zu mir?«
    Er war verblüfft, dachte zuerst, falsch gehört zu haben.
    Es passierte ihm schon manchmal, dass ihn einsame Reisende provozierten, sich aufreizend verhielten und auf der Suche nach einer Gelegenheit waren. Er hatte auch schon erlebt, dass eine Alte, die ihn in einer angeblich dringenden Sache sprechen wollte, mit entblößten Brüsten erwartete. Doch auf diesen Angriff war er nicht vorbereitet.
    Wellen prallten gegen die Bordwand, das Schiff schaukelte ein wenig, und er fluchte innerlich, weil er so viel getrunken hatte. Er folgte Foxy auf dem weichen Teppich im

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