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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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langen Flur. Sie betrat ihre Kajüte auf dem oberen Luxusdeck. Martin drehte sich vor der Tür um, ob ihn auch niemand sah, doch der Gang war leer.
    Zwei Lampen verliehen ihrer Kajüte eine gemütliche Atmosphäre. Die oberen Fenster konnte man nicht öffnen, die Lüftung erfolgtehauptsächlich mittels Klimaanlage, das Zimmer hatte jedoch auch einen kleinen Balkon – laut einhelliger Meinung der größte Vorteil.
    Das Lederfauteuil mit hoher Lehne stand bei einem kleinen Tisch. In der Ecke thronte ein ausziehbares Bett, das Foxy zielsicher ansteuerte. Blitzschnell zog sie sich ihre Bluse aus und öffnete den BH. Martin konnte seinen Augen nicht trauen und sagte nur:
    »Du wirst es mir zwar nicht glauben, Foxy, doch ich hatte schon seit drei Jahren keinen Sex. Und das wird sich heute nicht ändern. Ich arbeite zwar auf einem Schiff und bin Osteuropäer, doch keinesfalls eine Hure. Du kannst dich ruhig über mich beschweren, das habe ich schon öfter erlebt. Gute Nacht.«
    »Martin, glaub mir, ich meine es ernst …«, flüsterte Foxy.
    Mit gekrümmten Fingern fuchtelte sie in der Luft herum, als ob sie ihm die Augen ausstechen wollte. Die ihrigen verdunkelten sich.
    »Klar. Es gibt nur ein paar Details, die so nicht stimmen. Du hast vier Kinder und bist zum dritten Mal verheiratet. Dies ist dein zehnter Urlaub mit der ADC, und bei zwei anderen Reisen gab es schon Probleme; sagen wir mal, Beschwerden über unwillige Reiseführer.«
    »Woher…? Das ist eine…!«
    »Im Unterschied zu meinen Kollegen lese ich die Passagier-Dossiers auch. Man weiß ja nie, wen man trifft. Gute Nacht …«
    Er übertrieb ein wenig, doch tatsächlich las er die Informationen, die ihm die ADC zukommen ließ.
    Er konnte danach lange Zeit nicht einschlafen, deshalb übersetzte er noch zwei Stunden lang im Bett und schlief erst in den frühen Morgenstunden endlich ein.

4. DIE MASKE DER ANGST
    Martin frühstückte mit den Amerikanern und setzte ein Gesicht nach Vorschrift auf: lächelnd, zuvorkommend und überaus interessiert an all dem leeren Gerede. Sie hatten die Zeitverschiebung noch nicht ganz überwunden.
    »Exzellentes Essen«, merkte er ab und zu an, er sprach für alle und niemanden.
    »Du hast recht, wirklich ausgezeichnet«, antwortete Jeffrey. »Es schmeckt mir hier.«
    »Vergesst bitte nicht, es auch den Köchen zu sagen, sie verdienen das und werden sich sehr freuen.«
    Auf weißen Tischtüchern standen Vasen mit frischen Strelitzien. Am Büfett wurden verschiedenste Sorten von Müsli, Schinken, frischen Säften, Joghurts, Hummersalat, gefüllten Krabben, panierten Hühnerflügeln, Pflaumenpudding und Zitronenkuchen angeboten. Chefkoch Suang stand hinter den Tischen und beaufsichtigte seine Assistenten, die Omeletts zubereiteten. Suang stammte aus Thailand, er war schlank, hatte eine breite Nase und tief liegende dunkle Augen. Seine Haare waren glatt und nach hinten frisiert, wodurch er seinen zurückgehenden Haaransatz entblößte. Die vier Köche, ebenfalls seine Landsleute, waren phantastisch. In der Küche und vor all den Kunden gaben sie sich taktvoll, leichtfüßig und agierten nahezu geräuschlos. Überall verbreiteten sie gute Laune und eine natürliche Fröhlichkeit. Martin schaute ihnen gern bei der Arbeit zu, noch lieber aß er allerdings deren Ergebnisse, immer war alles auf den Punkt genau gebraten und vortrefflich gewürzt. Die Kochkunst genoss aufdem Schiff ein hohes Ansehen, und ein Koch an Bord verfügte über fast denselben Stellenwert wie ein Offizier. Früher kannte Martin viele Speisen nur aus Erzählungen reicherer Mitschüler, die gerne damit prahlten. Er hätte nie gedacht, jemals so gut und ausgiebig essen zu dürfen – wenn er doch nur mehr Zeit dafür gehabt hätte!
    Atanasiu erschien gegen acht Uhr – schwer verkatert. Ihm wohnten jedoch die heilenden Kräfte aller Trinker inne, er sah erstaunlich frisch aus. Aufmerksam erkundigte er sich nach Stimmung und Wohlbefinden einiger Damen und begrüßte jeden Gast persönlich.
    »Guten Morgen! Dobro jutro! Frisch und o. k.? Gustirati! Schmecken guten!«, sagte er.
    Die Gäste beschwerten sich bei ihm über den Motorenlärm und die zu lauten Nachbarn. Er täuschte gekonnt vor, dass es ihn interessieren würde, und versicherte, für Abhilfe zu sorgen. Kaum setzte er sich wieder hin, schon hatte er alles aus seinem Kopf gestrichen, da ging es ihm so ähnlich wie Martin. Nur wenige Passagiere ahnten, dass er mit seinen Anmerkungen bereits seinen gesamten

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