Tod auf der Donau
Alleine auf dem Tanzparkett mit diesen Greisen …«
Sie stiegen auf das Oberdeck und gingen weiter nach hinten, bis zum Kapitän.
»Ich hoffe, ihr seid nicht zusammen«, sagte Atanasiu, als sie hereinkamen und Mona sich ihm vorgestellt hatte.
»Nein, Gott sei Dank«, entgegnete Martin.
»Wie man es nimmt«, konterte Mona, »Herr Prunea, ich entschuldige mich sehr, ich schäme mich, dass ich hier ohne Ankündigung hereingeplatzt bin und – ich danke Ihnen«, fügte sie hinzu.
»Sag Atanasiu zu mir. Magst du einen Schluck?«
»Sehr gern«, antwortete sie und trank gleich aus der Flasche.
»Gutes Mädchen.«
»Um Gottes willen! Ist das Schwefelsäure?« Mona schüttelte sich.
»Hier bist du unter Matrosen, meine Liebe«, erwiderte Atanasiu und stieß mit ihr an.
»Entschuldige. Mona kam nur für einen Tag. Ich habe es nicht gemeldet, weil ich nicht damit gerechnet habe«, sagte Martin.
»Was soll ich mit euch schon tun? Gib deinen Pass an der Rezeption ab. Und willkommen an Bord«, sagte er.
Atanasiu nahm Monas schlanke weiße Hand in seine fleischige Pratze und drückte sie so stark, wie er das immer tat, um den Willen und Mut der Leute zu testen, mit denen er es zu tun hatte. Er lockerte den Druck so lange nicht, bis er in den Augen seines Gegenübers den Schmerz erkennen konnte. Mona jedoch machte keine Anstalten, das Gesicht zu verziehen, ganz im Gegenteil, sie drückte selbst kräftig die Hand des Kapitäns.
Sie gingen nach draußen. Merkwürdigerweise hatte sie den Koffer dabei. Martin holte eine Flasche Riesling aus der Bar, dazu zwei Gläser. Er bot Mona einen Drink an, sie lehnte nicht ab.
»Geht es dir gut auf dem Schiff?«, fragte sie.
»Ja. Wenn mich Wien nervt, bin ich in zwei Tagen in Budapest, und kurz darauf wache ich in Belgrad auf. Als ich angefangen habe, habe ich gar nichts gehabt. Sie haben mich aufgenommen, und niemanden hat es interessiert, woher ich komme und warum ich das überhaupt machen will. Viele sind hierhergekommen wie du – sie wollten sich verkriechen. Diese Leute haben andere Sorgen als Kritiken zu lesen und sich über Verleger zu ärgern. Ich bin in eine ganz andere Welt gekommen, habe geschuftet und es auch irgendwie genossen.«
»Aber deine Karriere hat so vielversprechend begonnen. Du hast alles aufgegeben.«
»Karriere ist ein etwas zu starkes Wort. Hier habe ich viel mehr gelernt. Ich habe es nie bedauert, keine einzige Minute. Manche Amerikaner haben mich verachtet – du hast ja Webster gesehen. Diese Leute sind imstande, dich wegen eines misslungenen Urlaubs bis vors Gericht zu bringen oder dich ein weiteres Jahr lang mit Drohungen zu verfolgen. Erst hier habe ich begriffen, warum Sklaverei und Kinderarbeit noch immer möglich sind, wie sich Leute erpressen und zerstören lassen.«
»Warum machst du dann nicht Schluss?«
»Ich werde Schluss machen. Vielleicht schon bald. In Rumänien habe ich mal gesehen, wie der Besitzer seinen Lasteseln immer mehrzugemutet und noch ein Kilo draufgelegt hat. Sie revoltierten, haben sich hingelegt und keinen Schritt mehr gemacht. Wenn man sie zu schlecht behandelt hat, haben sie sich lieber totschlagen lassen, gefolgt sind sie ihm nicht mehr. Oder sie hörten auf zu fressen und sind krepiert. Wenn die ADC mal das Budget kürzt und den Matrosen nicht nur ein, sondern gleich zehn Kilo mehr auflädt, senken diese den Kopf, halten den Mund und bedanken sich auch noch, sie folgen den Vorschriften, lachen sogar bei jedem noch so dummen Witz, den der Chef erzählt. Die Kollegen träumen alle vom Leben auf dem Land, freuen sich auf jeden Urlaubstag, sparen ihre freien Stunden auf, konsumieren diese gar nicht, nur um nach sieben Monaten des Wartens mal eine ganze Woche zusammenzubringen. Und wenn sie dann endlich Urlaub haben, gehen sie doch nirgendwohin.«
Der Bug wurde von einem Reflektor ausgeleuchtet, er blendete die Insekten. Über dem Wasser wälzte sich Nebel. Das Schiff bahnte sich seinen Weg, fast, als ob es das erste Mal diese Strecke befahren und nur durch weiße und rote Signallichter gesteuert werden würde.
»Hast du mich überhaupt erkannt? Hast du noch an mich gedacht? Gib es zu! Habe ich mich sehr verändert? Du überhaupt nicht! Wirklich.«
»Egal wo ich auch war, überall habe ich an dich gedacht. Manchmal habe ich dich mit anderen Frauen verwechselt, oft schien es mir, als hätte ich dich irgendwo gesehen, ich wusste aber, das kannst nicht du gewesen sein. Ich habe versucht, dich zu vergessen, und es ist mir
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