Tod auf der Donau
lieber mein Geld zurück«, sagte sie heiser.
»Ich habe wirklich gedacht, dass er leer ist.«
»Ich habe dir gesagt, dass er es nicht ist. Alles könnte anders sein. Jetzt brauchst du dich nicht mehr zu verbiegen. Ich gehe wieder. Bis ans Ende meines Lebens will ich dich nicht mehr sehen.«
»Ich will nichts von dir und du bestimmt auch nicht von mir. Aber du kannst ein paar Tage hierbleiben, wenn du willst. Ich bin sowieso den ganzen Tag mit den Gästen unterwegs.«
»Noch gestern habe ich gedacht, dass mir die ganze Welt gehört. Heute habe ich nichts und bin todmüde.«
»Gehen wir schlafen. Jetzt können wir auch nichts mehr tun.«
Mona schaltete das Licht aus. Im Dunkeln beobachtete sie die Zigarette in ihrer Hand – der glühende Punkt zitterte und bebte. Sie rauchte fertig, schloss die Augen, und kurze Zeit später war sie eingeschlafen. Martin legte sich auf seine Seite des schmalen Bettes.
Zuerst bewegten sie sich beide nicht, als ob zwischen ihnen eine geladene Pistole liegen würde. Dann entspannte sich Mona. Als er sich hin und her wälzte, berührte er mit seinem Fuß ihren Unterschenkel, ihre Muskeln entspannten sich. Mit der Linken schob sie ihre Haare weg und entblößte ihren Nacken. Sie drehte sich hin und her, wahrscheinlich wegen irgendwelcher unruhigen Träume, einige Male berührte sie ihn dabei.
»Hier kann man absolut nicht schlafen«, sagte sie völlig unvermittelt.
Sie presste seinen Kopf an sich und wand ihren heißen Körper um ihn. Er umarmte sie und zog sie näher zu sich. Er legte seine Hände auf ihre Schenkel und fasste sie fest an den Hüften. Dann küsste er fordernd ihre Lippen.
7. DAS LESEN DES FLUSSES
Martin lernte Mona Mannová in Bratislava kennen, da war er gerade zwölf Jahre alt. An jenem Tag hatte er sich von seinem hart ersparten Taschengeld im Janko-Kráľ-Park seine erste Schiffsfahrkarte gekauft. Das Schiff hieß
Propeler
, es verkehrte zwischen den zwei Donauufern und hatte seine ruhmreichen Tage längst hinter sich. Im Jahre 1891 hatte Heinrich Hörnes eine private Schifffahrtsgesellschaft gegründet, die mit ihren drei Dampfschiffen
Friedrich
,
Izabela
und
Pozsony
für die Verbindung zwischen der Petržalka und der Altstadt sorgte. Martin ging zu dem Schiff, es hatte einen weißen Rumpf und schaukelte auf dem Wasser.
An Bord sah alles bei weitem nicht so schön aus wie in seinen Büchern, doch sobald sich das Schiff in Bewegung setzte, wurde ihm klar, dass er nie wieder eine Landratte sein würde. Es gab nichts anderes mehr als das Strömen des Wassers und die am Himmel galoppierenden Wolken. Er zitterte, denn auf der Donau war es stets gute zwei Grad kälter als am Ufer. Die glatte Oberfläche glitzerte, der Wind zerzauste ihm die Haare. Die Haut auf seinen Wangen und Händen rötete sich. Er hatte einen Fahrschein, brauchte niemanden und war auch niemandem Rechenschaft schuldig. Ein solches Leben käme ihm gelegen.
Er hatte das Abenteuer noch gar nicht verarbeitet, da musste er schon wieder aussteigen. Was er nicht bereuen sollte, denn auf der anderen Flussseite erblickte er zum ersten Mal Mona. Sie stützte ihre Ellbogen auf die Reling und winkte lächelnd den Schiffen nach. Sie hatte die schönste Nase der Welt, mit zarten Nasenlöchern, und vollmundige Lippen. Ihre Frisur war tadellos, die langen Haare wurden wie von unsichtbarer Hand zusammengehalten.
»Na, Kleiner, was machst du da? Wo sind deine Eltern? Wer hat dich hier draufgelassen? Du weißt, dass du auf dem
Propeler
nicht ohne einen Erwachsenen sein darfst! Hier ist erst ab fünfzehn Eintritt!«, brüllte ihn ein Weib in einer geblümten Schürze an, welches darauf achtete, dass alle ausstiegen und die nächsten Passagiere in die entgegengesetzte Richtung einsteigen konnten. Schon streckte sie sich vor, um ihn am Ohr zu packen.
»Guten Tag. Ich … ich bin allein gefahren, weil sie schon auf mich wartet«, sagte Martin und zeigte auf das Mädchen am Steg.
Die Frau blickte sich nach Martins Fingerzeig um, baute sich aber so vor ihm auf, dass er nicht vorbeischlüpfen konnte.
»Ja, das ist er. Grüß dich!«, rief das Mädchen, und Martin vernahm zum ersten Mal ihre Stimme. »Zuhause warten sie schon längst auf uns.«
»Wie heißt er?«
»Martin. So heiße ich!«, stieß er hervor.
Die Frau zuckte resigniert mit den Schultern und ließ ihn aussteigen. Er nahm all seinen Mut zusammen und schaute Mona direkt in die Augen. Er wusste nicht, wie lange sie einander angesehen hatten. Sie
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