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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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gerade den Bootsmann, wie er ein Seil über seinem Kopf schwang. Das Boot näherte sich dem Steg, touchierte ihn leicht und wurde vertäut. Die Hauptmotoren wurden abgeschaltet, und es liefen nur noch die Hilfsaggregate für Klimaanlage, Strom und die Wasserversorgung.
    Der diffuse Himmel erinnerte an rußgeschwärztes Papier. Im Wasser spiegelten sich die farbenfrohen Lichter des Lentos. Das eckige Kunstmuseum schillerte bunt. Unweit trieben schwarze Enten auf der Wasseroberfläche, die Schnäbel in ihr Gefieder gesteckt.
    Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, setzte sich Martin beim Frühstück nicht zu Mona. Im Restaurant herrschte rege Betriebsamkeit, eine Kakophonie aus klapperndem Geschirr, Espressomaschinen und lauten Gesprächen. Der Wasserkocher gab ein leises Pfeifen und melodisches Ächzen von sich. Ashley erzählte ihm ausführlich von ihren sechs Enkelkindern, die an sechs verschiedenen Orten lebten. Er nickte, so oft es ging, und aß, so schnell er konnte, Cornflakes mit Milch.
    »Was Sie nicht sagen. Tatsächlich? Exzellent!«, plapperte er.
    Er hoffte, sie würde nicht weiter nachfragen. Um neun Uhr stand er schon draußen und begrüßte die Passagiere. Im Linz brauchten sie keine Autobusse.
    »Willkommen in Österreich, liebe Freunde. Wie Sie sehen, läuft unsere Reise wie am Schnürchen. Verpassen Sie nicht die Gelegenheit,eine echte Linzer Torte zu kosten, die einzige auf der ganzen Welt, der zu Ehren eine Operette komponiert wurde. Heute erwartet uns erneut ein längerer Fußmarsch, Sie werden diesen aber nicht bereuen, glauben Sie mir. Sie werden sogar die öffentlichen Verkehrsmittel kennenlernen. Die Reiseführerinnen freuen sich schon auf Sie.«
    »Herzlich willkommen! Welcome to Linz!«, riefen die drei Österreicherinnen einstimmig. Sie trugen Dirndl mit Spitzenbesatz, grüne Röcke und weiße Blusen mit dem Abzeichen des Touristenverbandes. In den Händen hielten sie bunte Fähnchen. Die 800 Meter zur barocken Dreieinigkeitssäule mussten die Amerikaner zu Fuß zurücklegen, schon waren die ersten Beschwerden zu hören.
    Mona kannte schon bald mehr Reisende beim Namen als Martin. Sie lernte schnell, wie man unbemerkt die Namen von den Namensschildchen abliest, und wickelte damit die alten Herren um den Finger, kaum dass sie ihre Namen aussprach.
    »Hi, Arthur! Hello Jeff. Good morning, Sir!«, rief sie. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag! Also ich muss schon sagen, Sie sehen heute großartig aus.«
    »Ihre Freundin ist wunderbar, Martin. Sie sollten sie einstellen! Sie ist ein ausgesprochenes Naturtalent«, sagte Jeffrey Rose, »und kann phantastisch tanzen!«
    »Es wäre etwas voreilig, ihr jetzt schon ein Zeugnis auszustellen, doch sie scheint begabt zu sein. Es ist ja nicht meine Entscheidung, ich werde mich allerdings bemühen, ihr ein gutes Beispiel zu sein und ihr zu helfen, wo es nur geht. Sie muss noch viel lernen. Die Firma hat Experten, und die endgültige Auswahl treffen erfahrene Profis«, wich Martin aus.
    »Mona, falls Sie eine Empfehlung brauchen, lassen Sie es uns wissen, wir schreiben nach Chicago!«, rief Jeffrey.
    »Ich danke Ihnen, Sie sind so reizend!«
    Martin hätte es gefreut, wenn die Touristen auch ihn gelobt hätten, obwohl er natürlich zugeben musste, dass er ihnen kaum einen Anlass geboten hatte.
    Die Gruppe zog sich in die Länge, bewegte sich auf die Brücke zu und bog dann links ab. Um die Amerikaner schwirrten Verkäuferinnen mit Stadtplänen und überteuerten Bildheftchen samt Panoramafotos. Gegenüber befand sich das Adalbert-Stifter-Literaturhaus. Das ausgehängte Monatsprogramm erinnerte Martin an seine Übersetzerlaufbahn. Wie viele Bücher hätte er in der Zeit, die er nun auf Schiffen verbrachte, übersetzen können? In den letzten Monaten hatte er manchmal heimlich in der Nacht gearbeitet. Doch seit Mona da war, kam er nicht mehr zu Calvinos Buch.
    Aus den Kopfhörern schallte die Stimme der Reiseführerin. Er sollte sie kontrollieren, ob sie auch nichts Wichtiges ausließ. Die Frau schimpfte gerade über moderne Architektur und die Gegenwartskunst. Die meisten Amerikaner nickten zustimmend. Martin biss die Zähne zusammen und sagte lieber nichts, er durfte ja nicht. Die österreichischen Reiseführer waren offensichtlich in Hass geschult. Thomas Bernhard, Erwin Wurm oder Franz West – jeder bekam hier sein Fett ab.
    Linz wurde seinerzeit von den Kelten »Lentia« genannt – das bedeutet »Flussbiegung« oder auch »Linde«. Die Gruppe bewegte

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