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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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und auch die vielen Ungarn wurden der Stadt verwiesen. Die Metropole wurde slowakisch.
    Der Donaukai war in der Vergangenheit viel betriebsamer gewesen, auch auf der Petržalka-Seite. Er war damals von Terrassen alter Häuser und zahlreichen Cafés gesäumt, wo die Menschen ihre Freizeit verbrachten. Fische aus Bratislava wurden auf Schiffen oder in Bottichen auf Pferdefuhrwerken bis nach Frankfurt und Paris geliefert. Das ursprüngliche Flussbett verlief nicht gerade, es mäanderte und breitete sich links und rechts aus, bei Hochwasser wurden riesige Flächen überflutet. Erreichte ein Hochwasser die Stadt, begrub es die Häuser unter einer Schlammschicht, und die Mücken nahmen überhand.
    Die ersten Versuche, den Fluss zu begradigen, begannen im 13. Jahrhundert. Dazu wurden am Nordufer steinerne Befestigungsmauern errichtet. Wegen der angeschwemmten Schichten, Müll, Lehm und Steine, wurde das Gelände immer höher. Die Menschen drängten die Donau aus ihrem ursprünglichen Flussbett bis hinter die heutigen Kais, wo schon bald Betonmauern errichtet wurden. Auf einer Terrasse, die an einen Steg erinnerte, in erster Linie jedoch als Aussichtspunkt diente, stand eine hohe steinerne Säule, ein Leuchtfeuer mit einem verzierten Eisenkorb. Auf der stadtzugewandten Seite prangte ein Wappen des Grafen Esterházy, der einst das Bauwerk der Stadt gespendet hatte.
    Die Donau wurde demnach vor knapp hundert Jahren aus der Stadt vertrieben. Die Stadt hat ihren Fluss verlassen, und das Wasser kehrte lediglich in Kanistern und Flaschen dorthin zurück. Bratislava wurde zu einer Stadt bei, nicht an der Donau. Der Fluss verbindet nicht mehr, er trennt.
    Nach dem Krieg waren nur noch etwa 4000 Juden in der Stadt,und mit dem kommunistischen Putsch wanderten zwei weitere Drittel aus. Einige Hundert Deutsche nahmen lieber slawische Namen an, sie sprachen nur noch in ihrer Muttersprache, wenn sie niemand hörte.
    Die Stadt wurde in Windeseile »slowakisiert«, denn die ursprünglichen Bewohner träumten von einem Anschluss an Österreich; man deckte also lieber schnell die verdächtig kapitalistischen und internationalistischen Neigungen auf, wie man es damals nannte. Hunderte, ja Tausende Zugewanderte wurden auf Wohnungen verteilt, die nur widerwillig und mit Polizeigewalt geräumt wurden. Selbst Martins Eltern hofften, dass die Bestohlenen niemals zurückkehren würden, um ihren Besitz zurückzufordern. Doch zum Glück schien die neue Grenze zwischen Ost und West undurchdringlich zu sein.
    In der Stadt herrschte ein schläfriger Geist und ein ebensolcher Verkehr. Die neue Architektur zeigte sich nur spärlich, in Bauwerken wie der SNP-Brücke mit dem Ufo-Caféhaus oder dem Radiogebäude in einer auf den Kopf gestellten Pyramide. Die Auslagen gähnten vor Leere, alles schien wie ausgeraubt. Von den Häusern blätterte der Putz ab.
    Martin stand im Bratislaver Hafen auf dem Oberdeck, nur gut zweihundert Meter von seiner ehemaligen Universität entfernt. Er sah die Fenster des Hörsaales, wo er an den Vorlesungen von Professor Rovan teilnehmen durfte. Damals wäre ihm nicht im Traum eingefallen, dass er irgendwann von hier aus das Gebäude überblicken würde. Manchmal kam er sich wie ein Verräter vor und wollte sich gar nicht ausmalen, wie er heute vor seinen Mentor treten würde. Mit der Hand wies er abwechselnd auf das linke und das rechte Donauufer.
    »Willkommen in meiner Geburtsstadt. Kommen Sie, liebe Passagiere, wir müssen los, damit Sie sich alles ansehen können! Am Nachmittag geht es in ein nahe gelegenes, authentisches Dorf, zum Gänseessen, oder, falls Sie das vorziehen, wartet ein freier Nachmittag auf Sie, zum Shoppen.«
    »Hat in dieser Burg Graf Dracula gewohnt?«, fragte Jeff.
    »Genau so ist es. Und man munkelt, er lebe immer noch dort. Der furchterregende, legendäre Herr von Bratislava! Doch zunächst zur Tour. Sie werden das Opernhaus und die Philharmonie sehen, die Rolandsfontäne, das Michaelertor, die Apotheke ›Zum roten Krebs‹, das Mozarthaus, den Sankt Martinsdom, teure Geschäfte und beliebte Kaffeehäuser.«
    »Und du kommst nicht mit?«, fragte Jeff.
    »Während Ihres Spaziergangs bereite ich das Programm in Budapest vor. Ich habe viel Papierkram und eine lange Aufgabenliste«, log er.
    In Bratislava ging er nie mit den Pensionisten mit. Er hätte sich in Grund und Boden geschämt.
    »Du machst schon wieder blau. Gib wenigstens zu, dass du zu deinem Mädchen gehst!«, krächzte William Webster.
    »Sie

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