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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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entlang, mit einem Schwert, einer Fackel oder einem Buch in der Hand.
    Die Entscheidung, das alte Dorf abzutragen und eine neue sozialistische Siedlung zu errichten (Petržalka), fiel zur Zeit der Wohnungsnot im Jahre 1973. Martins Vorfahren stammten nicht aus Bratislava. Seine Eltern zogen sehr jung nach dem Krieg in die Hauptstadt. Sie kamen aus dem entlegenen Gebiet bei Arwa im Norden des Landes mit einem der ersten Transporte, der slowakische Siedler ausdem Norden und Osten des Landes brachte. Ihr neues Zuhause nahmen sie verlegen, beinahe schon ängstlich in Besitz. Die Beamten hatten ihnen allerlei Versprechungen gemacht – bald schon, nur durchhalten! – eine kleine Wohnung und eine Handvoll Lebensmittelkarten. Sie durften 20 Kilo Gepäck pro Person mitnehmen.
    Martins Vater, Jozef Roy, war davon überzeugt, dass die Juden und Karpatendeutschen vor ihrer Aussiedlung irgendwo riesige Schätze vergraben hatten – in den Karpaten oder in der Donau. Immerzu grübelte er, wie man die Kisten voller Gold heben könnte. Martins Mutter war der Inbegriff aller Güte und Großzügigkeit. Sie hatte müde Augen, glatte Haare, einen schweren Busen und einen dicken Bauch. Ihr Kopf neigte sich vom langen Schweigen. Sie war gut in Handarbeiten, zahlreiche Haushalte im Plattenbau hatten ihre gewebten Decken auf ihren Resopaltischen – Plattenbau und Volkskunst fanden zueinander.
    Martins Vater war ein leidenschaftlicher Fischer, sein großartigster Fang wurde sogar in Zeitungen abgelichtet. Der Donauabschnitt zwischen Bratislava und Komárno war schon immer ein fischreiches Revier gewesen. Der Strom wird hier etwas langsamer, kämpft sich durch tausendjährige Ablagerungen hindurch. Kaviar war seinerzeit alltäglicher Bestandteil der Speisekarte, selbst für die ärmsten Familien der Stadt war das nichts Besonderes. Jozef war am liebsten mit seiner Angel unterwegs, in Gummistiefeln, einem ausgebleichten Arbeitsgewand und einem Strohhut mit schwarzer Schleife. Martin begleitete ihn immer, auch wenn er dafür um vier Uhr früh aufstehen musste. Sein Vater fing Karpfen, Schleie, Brachsen, Zander und manchmal auch Hechte. Am liebsten war ihm, wenn vollkommene Stille herrschte, denn mit Gesprächen wurden nur die Fische verscheucht. Er trank langsam sein Bier und beobachtete die Bewegung seiner Rute, um den Augenblick, wo so ein Fisch anbeißt, ja nicht zu verpassen. Er fischte auch mit Harpunen und den bloßen Händen.
    Die gefangenen Fische öffneten verzweifelt ihre Mäuler. Der Vater zog sie, einen nach dem anderen, mit dem Kopf voran aus demWasser, zwei Finger unter deren Kiemen gesteckt. Zu Hause aßen sie außer Fisch auch noch Flusskrebse. Der Tisch war nach so einem Abendessen übersät von Panzern, Scheren, Schwänzen und Brotbröseln.
    Jeder Fischer in Bratislava träumte davon, einmal einen Stör zu fangen. Der legendäre Fisch war schon den Römern bekannt. Damals soll er bis zu zehn Meter groß geworden und regelmäßig den Strom aufwärts gezogen sein. Noch vor hundert Jahren waren in Wien mehrere Fischhändler nur auf Störfleisch spezialisiert gewesen, und die kapitalsten Stücke wurden bis nach München, Krakau und noch weiter ausgeliefert. Später wurde der Stör eine Seltenheit, nachdem ihm die Staustufen den Weg abschnitten. Das Störfleisch war überaus beliebt, weil es auch in der Fastenzeit gegessen werden durfte. Jozef Roy hatte im Herbst 1982 wohl den letzten Stör in Bratislava gefangen.
    Im heißen Sommer sank der Wasserspiegel so tief, dass sogar der mit Algen überwucherte Panzer zum ersten Mal zum Vorschein kam, der hier in der Nacht des 21. August 1968 bei der »Operation Donau«, der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Armeen des Warschauer Paktes, im Wasser versenkt wurde. An der Oberfläche trieben Karpfen und Schleie mit angelegten Kiemen, manche schon tot, und die Menschen kamen in der Nacht, um die Netze einzuholen.
    Der Vater hatte auf den Stör, den König der Donau, ein Leben lang gewartet; seit vielen Jahren war er mit ihren Angewohnheiten vertraut. In der Vergangenheit waren die Störe mit der gleichen eisernen Regelmäßigkeit wie Schwalben vorbeigezogen, von einem geheimnisvollen, unbeirrbaren Instinkt geleitet, der erst von der menschlichen Technik außer Kraft gesetzt wurde. Der größte Süßwasserfisch war nun nach Jahrzehnten wieder in Bratislava eingetroffen. Er kam aus dem Schwarzen Meer und war nach Bayern unterwegs. In der Vergangenheit zogen die Störe zuweilen auch in

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