Tod auf der Donau
in Kooperation mit der ADC organisiert. Sie ist für erfahrene und anspruchsvolle Menschen wie Sie bestimmt. Die meisten Gäste im Publikum werden Wiener sein«, log Martin. »Bestimmt werden Sie bemerken, dass hier Nationen aus der ganzen Welt vertreten sein werden«, sicherte er sich ab, für den Fall, dass kritische Fragen kämen, warum sich im Publikum nur Chinesen und Japaner befunden hätten.
Auf dem Parkplatz standen ausschließlich slowakische und ungarische Fahrzeuge, die den Musikern gehörten. Die Gäste betraten das Palais und schritten über die Stiege in den Herkulessaal. Bis ganz nach oben verlief ein Marmorgeländer. Das Parkett aus Eichenholz bildete ein diagonal-geometrisches Muster. Die Barockbilder wurden dezent von Scheinwerfern beleuchtet. Stillleben, religiöse Darstellungen und Landschaften sowie Porträts von Adeligen und Politikern. An so vielen Meisterwerken vorbeizugehen, ohne ihnen einen einzigen Blick zu widmen, kam Martin beinahe skandalös vor, doch es blieb keine Zeit. Die Möbel dufteten nach Wachs. Die Büsten verfolgten die Besucher mit gespenstischen Blicken.
Bei einer forschen Platzanweiserin erkundigte er sich nach den Reservierungen in den ersten Reihen. Für den Kulturgenuss seiner Gäste musste er sich ins Zeug legen. Das Ensemble, »Österreichisches Symphonieorchester« genannt, bestand aus drittklassigen Musikern aus Györ und Bratislava. Sie spielten falsch und an jenem Tag schon zum dritten Mal dasselbe. Offensichtlich hatten sie getrunken, um die stumpfe Langeweile irgendwie zu ertragen. Der Dirigent winkte einwenig im Rhythmus, ganz bestimmt dirigierte er hier kein Orchester. Die Walzer von Strauß wechselten sich mit Stücken von Mozart und Haydn ab, es gab auch kurze Balletteinlagen eines in die Jahre gekommenen serbischen Duos.
Obwohl Martin den Amerikanern signalisierte, wann Applaus angebracht war, gab es peinliche Ausrutscher. Dennoch berührte das Konzert die Passagiere. Bereits in der Pause bedankten sie sich bei ihm, reichten ihm die Hand und umarmten ihn.
»Ein exzellentes Konzert, nicht wahr? Und welch exzellente Auswahl an Kompositionen!«, sagte er.
Er musste noch irgendwie eine dreiviertel Stunde überleben, und dann war die Vorstellung nach zwei stürmischen Zugaben – Radetzky-Marsch und der
Kleinen Nachtmusik
– zu Ende.
»Wo lebt dieser Mozart?«, fragte ihn nach dem Konzert Ashley Rose.
Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine nachdenkliche Furche.
»Er lebt leider nicht mehr. Er ist vor drei Wochen gestorben.«
»Das tut mir leid.«
Die Rückfahrt zum Schiff gehörte zu den Programmhöhepunkten und sicherte sein Trinkgeld. Er kündigte sie nicht an, vielmehr pflegte er sie als eine spontane Überraschung für seine VIP-Gäste zu präsentieren.
Er nahm das Mikrophon und übertraf sich selbst beim Erzählen all der Geschichten über die berühmten Häuser auf beiden Seiten des Rings. Jeder bedeutenden Sehenswürdigkeit widmete er entsprechend viel Aufmerksamkeit: Parlament, Rathaus, Burgtheater, Alte Börse, Ruprechtskirche, Schwedenplatz …
Er ließ eine CD mit Walzern laufen, die er an einer Tankstelle erstanden hatte. Das Gemurmel in seinem Rücken verstummte. Die Passagiere verdauten offensichtlich diesen überwältigenden Kulturansturm. Das Schiff erwartete sie schon.
»Wenn ich das Mikrophon an meine Brust lege, hören Sie, dassmein Herz nun schneller schlägt. Morgen werden wir in meiner Heimatstadt aufwachen, in Bratislava, und ich freue mich schon sehr darauf«, rief er, und die Passagiere jubelten.
An der Rezeption besuchte ihn alsdann auch William Webster. Martin musterte ihn.
»Was glotzt du mich so an, verdammt?«, fauchte der Greis.
Nicht gerade die freundlichste Begrüßung, doch auch nicht die schlimmste.
»Weil ich mich freue, dass ich Sie wiedersehe«, antwortete er.
Am liebsten hätte er den Greis an der Kehle gepackt und erwürgt. Wieder standen sie sich gegenüber und durchbohrten einander mit Blicken. Webster strafte Martin seit Tagen mit kühler Verachtung, nie hörte er seinen Vorträgen zu.
»Ein fürchterliches Konzert, wie alles mit dir. Arbeite an dir, Junge, streng dich an. So faul wie du bist, wird nie was aus dir werden.«
»Guter Rat ist teuer«, antwortete Martin.
13. HEIMFAHRT
Man konnte hören, wie der Anker hochgezogen wurde. Die Kette rasselte beim Aufrollen auf die Winde, die Motorengeräusche waren ohrenbetäubend. Beim Ablegen hatte die Mannschaft alle Hände voll zu tun. Jene
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