Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
Vom Netzwerk:
der Ebene bei Mohács. Der Westen legte sich hier mal wieder mit dem Osten an, wie schon im Jahre 1526, als die türkischen Osmanen das christlich-ungarische Heer in die Knie zwangen; in dieser Schlacht verloren der König, der Erzbischof, 500 Adelige und Tausende Infanteristen ihr Leben. Die Schlacht bei Mohács öffnete den Türken das Tor nach Ungarn. Wie schon damals eilte auch heute niemand den Geschröpften zur Hilfe.

21. DAS TOR IN DEN OSTEN
    Nach dem Anlegen in Vukovar bot sich den Passagieren ein Bild der Verwüstung. Auf der Mole ragte ein kunstvoll verzierter, jedoch brutal zerschossener Wasserbehälter empor, der die Form eines auf den Kopf gestellten Kegels hatte. Auf der Spitze wehte die kroatische Flagge.
    Die Bustour begann um zehn Uhr vormittags. Martin sah den Passagieren an, dass sie sich fürchteten.
    »Guten Tag, herzlich willkommen in meiner Stadt, Vukovar befindet sich nicht in Ost- sondern in Mitteleuropa, merken Sie sich das bitte«, begann der vierzigjährige kroatische Reiseführer Goran, ursprünglich ein Dozent für Sprachwissenschaft. »Vukovar, vormals eine schöne und prosperierende Stadt mit 45.000 Einwohnern und einer malerischen Barockarchitektur, veränderte die moderne Geschichte Kroatiens. Zum Schlechteren, wie man leider sagen muss. Einige Donaukapitäne können sich gewiss noch erinnern, wie gefährlich es war, mit Frachtschiffen die Kampfzone um Vukovar zu queren. Die Matrosen riskierten ihr Leben, ihre Gehälter wurden natürlich dadurch nicht höher. Ein slowakischer Kapitän hat sogar erlebt, wie irgendwelche Dachtrümmer bis auf sein Schiff, die
Inovec
, geprasselt sind. In den Fluss ist viel Blut geflossen, denn alle, die flohen und sich retten wollten, mussten die Donau queren.«
    Diese Geschichte beeindruckte die Amerikaner. Sie schwiegen und musterten erschrocken die halbzerfallenen Mauern, aus denen kleine Bäumchen sprossen. Vukovar hatte im Krieg schrecklich gelitten, doch es konnte sich auch in Friedenszeiten nie erholen. Jeder zweite Bewohner war arbeitslos. Die Armut und der öffentliche Zerfall hatten unerträgliche Ausmaße angenommen, die Korruption wucherte.Viele lebten noch immer in Wohnhäusern mit zerschossenen Dächern. Auf den Zufahrtsstraßen waren die Krater der Granateinschläge im Asphalt zurückgeblieben. Auch das ansässige Zementwerk war wie ein Sieb durchlöchert worden.
    Martin holte aus dem tragbaren Eiskasten das hiesige Bier, um die Amerikaner etwas abzukühlen. Die Busse hatten fast die gesamte Besichtigungstour absolviert, als sich plötzlich einige junge Männer mit Kapuzen und Militärstiefeln um sie gruppierten.
    »Schert euch zum Teufel, ihr Arschlöcher! Zuerst habt ihr uns bombardiert, und jetzt kommt ihr auch noch her, um uns anzustarren. Schämt euch! Niemand will euch hier haben. Steckt euch eure Dollars in den Arsch, amerikanische Schweine! Fucking USA!
Fuck!
«, schrien sie und streckten den verängstigten Greisen ihre Mittelfinger entgegen. Martin forderte sie auf zu verschwinden, doch das provozierte sie umso mehr. Schließlich wies er sie darauf hin, dass die Touristen alte Menschen seien, unschuldige Pensionisten.
    »Verschwindet von hier, alle!
Get out! Out of here!
Weg von hier!«, brüllten die Männer und drohten mit ihren Fäusten.
    Sie warfen Steine auf die Busse, versetzten ihnen sogar Fußtritte. Bestimmt Serben, die durch verschiedene, von Brüsseler Bürokraten erdachte Versöhnungsprogramme, hierher zurückgebracht worden waren. Das Blech verbeulte sich unter den Schlägen. Jemand holte ein Messer hervor, um die Reifen aufzustechen, doch er blieb erfolglos. Die erfahrenen Busfahrer starteten sofort. Ein Stein zerschmetterte noch die hintere Fensterscheibe, die in Tausenden von Teilchen explodierte und einige Sitzreihen mit Splittern bedeckte. Zum Glück wurde niemand verletzt. Die Busse rasten durch die zerstörte Stadt, doch niemand verfolgte sie.
    »Ich entschuldige mich. Was hier passiert ist, tut mir sehr leid, und ich nehme die Verantwortung auf mich. Glauben Sie mir dennoch, dass das hier nur eine traurige Ausnahme war. Die hiesigen Einwohner schätzen die Amerikaner sehr«, log Martin. »Überall auf der Welt gibt es junge Gangster, von Amerika bis nach Osteuropa.«
    Goran schämte sich und war verärgert, weil er am Ende der Besichtigung von keinem Einzigen Trinkgeld bekam, er musste sich mit dem armseligen Honorar von der ADC zufrieden geben, welches unentwegt, mit Verweis auf die Wirtschaftskrise,

Weitere Kostenlose Bücher