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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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schnappen. Es folgte ein metallischer Schlag – der Beweis, dass die Besatzung, trotz aller Trunkenheit, ihren Dienst versah. Das Schiff nahm Kurs ins Delta, um in einigen Stunden die Gäste inmitten eines Dschungels zu begrüßen. Er bereute es längst, getrunken zu haben. In seinem Kopf drehte sich alles. Er war dem Menschen, der mindestens zwei Leute auf dem Gewissen hatte, zum Greifen nahe. Die Motoren lärmten, die Kühlschränke summten. Er wartete, ob jemand nachkommen würde, um ihm zu helfen, bis ihm klar wurde, dass er alleine damit fertig werden musste. Sein Mobiltelefon lag in der Kajüte, es hätte sich ebenso gut auf dem Mond befinden können.
    Er ging in den Mittelgang. Der Angreifer war hier entlanggelaufen und floh weiter, immer tiefer in den Schiffsrumpf. Einige unendliche Sekunden lang überfiel ihn quälende Unsicherheit. Die Sicherheitsbeleuchtung verwirrte ihn noch mehr. Er hatte nicht geahnt,dass das Schiff selbst hier unten noch so breit war. Er drängte den Unbekannten langsam in eine Ecke, zumindest hoffte er das.
    Er spürte einen Luftzug auf seiner Wange. Also gab es auch hier andere Ausgänge. Er arbeitete sich weiter vor. Die Temperatur im Unterdeck sank merklich. Er hörte ein Geräusch. Die Gestalt lief an ein paar Lebensmittelsäcken vorbei und kam an Martins rechte Seite. Undeutlich erkannte er, wie der Körper verschwand. Wollte der Mörder ihn etwa von hinten angreifen?
    Er drehte sich um und stürmte vorwärts. Vor sich sah er einen leeren, dunklen Raum. Gegenüber eine enge Eisentreppe. Plötzlich war alles weg, um ihn herum wurde es pechschwarz. Er verlor die Orientierung und versuchte, nicht in Panik zu geraten, tastete sich an den Wänden entlang und redete sich ein, dass er wohl gleich eine Öffnung finden würde. Unter den Füßen klirrten ein paar leere Flaschen, in die er getreten war und die über den Boden kollerten. Sein Herz raste.
    Er bekam eine Klinke zu fassen. Er drückte sie nieder, doch diese Tür war zugesperrt. Er rüttelte daran, schlug gegen die Wand, es half nichts. Den Geräuschen nach zu urteilen, änderte sein Gegner die Richtung. Die Gestalt rannte los und riss alles um sich herum nieder. Es war schwer abzuschätzen, wohin er lief. Dann begriff Martin endlich. Zu ihm. Etwas blitzte auf. Ein langes Messer. Die Lösung des Rätsels war zum Greifen nah. Er konnte sich nicht mehr rühren, war bewegungsunfähig. Er bedauerte, diese Selbstverteidigungstechnik der Krav Maga nicht zu beherrschen. Ein Imrich Lichtenfeld hätte die Situation bewältigt.
    Martin stolperte rückwärts, stieß irgendwo an und lief gegen einen Tisch. Er wollte nur weg und krachte gegen die Wand. Der Verfolger holte ihn ein wie ein Raubtier sein Opfer. Der Unbekannte schlug ihm mit der Faust gegen die Schläfe und dann auf seine Brust. Seine Furcht schmolz zu einem Schrei zusammen. Er schnappte nach Luft, krümmte sich. Vor den Augen wurde es schwarz. Das letzte »Nein« verstarb in seinem Hals. Ein Fallen, ein Aufblitzen und dann wurde alles in Dunkelheit getaucht.
    Als er zu sich kam, dauerte es einige Sekunden, bis ihm bewusst wurde, dass er im Eis lag. Suang lagerte in den großen Eisschränken allerlei Meeresgetiere.
    Er war nun stocknüchtern. Die Eiseskälte kroch unter seine Haut, verbreitete sich rasend schnell und wurde immer stärker. Auf jedem Millimeter seiner Haut fühlte er den Schweiß. Er konnte das nicht überleben, das war klar. So etwas konnte niemand überleben. Er hatte ungefähr so viele Chancen wie ein Schneeball in der Hölle.
    In der Dunkelheit gab es noch etwas Sauerstoff. Er hob den Kopf, so gut es ging, also nicht allzu hoch, und spannte alle Muskeln an, doch das Metall bewegte sich keinen Millimeter. Kostbare Sekunden vergingen, während er diese Welt langsam verließ. Er wollte nicht sterben, er musste es hinauszögern. Wenn er am Leben bleiben wollte, musste er all seine Kräfte bündeln und sich auf die Flucht konzentrieren. Er steckte schließlich in seinem eigenen Grab. Das Eis ließ ihn langsam erstarren. Es wäre durchaus verlockend gewesen, einfach liegen zu bleiben. Er tastete die Umgebung ab, doch seine Hände fassten nur in Eissplitter. Er sammelte all seine Kraft und trat mit dem Fuß zu, doch er konnte nicht weit genug ausholen. Das Schloss hielt stand, selbst wenn er mit aller Kraft dagegentrat.
    Die Füße schmerzten, und auf dem Rücken breitete sich eine fast angenehme Wärme aus – Blut. Er tastete sich weiter vor und suchte nach einem

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