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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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großflächig Reis angebaut werden. Tiefere Gebiete wurden von politischen Häftlingennoch weiter vertieft. Auch das ging schief. Riesige Flächen wurden für Mohnplantagen und Papierwerke abgeholzt. Jahrzehntelang wurde aus den Fabriken Gift in den Fluss eingeleitet. Tausende Bauern wurden mit Gewalt in Städte umgesiedelt. Diese Projekte fanden erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Dezember 1989 ihr Ende. Die Donau überstand bislang noch jedes dieser Regime.

26. DER STURM
    Nach dieser langen Fahrt erwarteten sie im Hafen von Tulcea endlich Sicherheit, Komfort und Frauen – all das, was die Mannschaft schon so lange vermisst hatte. Die Männer freuten sich auf das Ziel und planten bereits ihren Abend. Sogar die Raben flogen gemeinsam als Schwarm auf, sie schienen das Schiff nun endgültig verlassen zu wollen. Am Ufer herrschte ein heilloses Durcheinander, die Menschen schleppten Koffer, standen am Pier herum, beobachteten die Schiffe, aßen Fisch, tranken Wodka, gingen ihrer Arbeit nach oder träumten in den Abend hinein. Der Orient schien hier zum Greifen nah.
    Im Dock sah Martin auch den legendären Dampfer
Republica
, der Ende des 19. Jahrhunderts in Linz erbaut worden war. Der einzigartige Seitenradantrieb wurde später von amerikanischen Schiffen kopiert. Der österreichisch-ungarische Raddampfer fiel nach dem Ersten Weltkrieg Frankreich zu. Er wurde auch im Zweiten eingesetzt und später von den Sowjets beschlagnahmt. Nach dem Krieg durften nur noch angrenzende Staaten ihre Flotten auf der Donau stationieren, und so schenkte Frankreich das Schiff seinem geliebten Rumänien. Die
Republica
blieb in Tulcea vor Anker liegen, einmal übernachtete sogar Nikita Chruschtschow darauf.
    »Liebe Passagiere, unsere exzellente Fahrt neigt sich langsam ihrem Ende entgegen«, sagte Martin ins Mikrophon.
    »Nein!«, riefen die Amerikaner. »Buuh! Wir wollen nicht nach Hause! Noch nicht!«
    »Ich hoffe, dass Sie auch beim Ausfüllen der Fragebögen an Ihre Worte denken«, erinnerte sie Martin. »Ich kann Ihnen nur empfehlen, gleich Ihren nächsten Urlaub mit der ADC zu planen! Wir sindnun in Tulcea angelangt, das sich wie Rom über sieben Hügel erstreckt. Es ist die letzte größere Stadt an der Donau. Sie wurde einst zwar von den Daken, den Vorfahren der Rumänen, begründet, gewachsen ist sie jedoch vor allem unter den Römern. Den hiesigen berühmten Hafen und die Werften nutzten sowohl das Byzantinische als auch das Osmanische Reich. Morgen werden Sie in einem echten Dschungel erwachen, und es erwartet Sie ein allerletzter Ausflug. Sie werden seltene Vögel aus nächster Nähe beobachten, fotografieren und die Natur bewundern können. Doch vorher müssen wir noch einige praktische Dinge erledigen. Kommen Sie bitte in einer halben Stunde alle in den Salon. Und heute Abend feiern wir natürlich Ihren Urlaub mit einer würdigen Abschiedsparty!«
    Die Anweisungen zum Verlassen des Schiffes nahmen etwa eine Stunde in Anspruch. Martin schien von nahezu unerschöpflicher Geduld, er wiederholte die wichtigsten Informationen gleich mehrfach. Er erklärte, wie am übernächsten Morgen der Bustransfer aus Tulcea zum Flughafen in Bukarest verlaufen würde, wie die Rechnungen an der Bar und im Schiffsshop zu bezahlen seien und wo das Gepäck vor dem Aussteigen verstaut werden musste. Dann erklärte er alles noch mal, einem jeden einzeln. Wären Rechnungen unbezahlt geblieben oder hätte ein Passagier sein Gepäck vergessen, wäre Martin finanziell dafür verantwortlich.
    Das Restaurant wurde nach dem Mittagessen für die abendliche Party im Las-Vegas-Stil dekoriert; dieser Event musste gelingen, ein guter Eindruck erhöhte die Chancen auf eine positive Gesamtbewertung. Aus der Küche drangen anregende Düfte. Die Kellner eilten auf und ab, legten Silberbesteck und Gedecke auf und schmückten die Wände mit kitschigen Dekorationen. Um halb sechs zog sich Martin in seiner Kajüte das Sakko an, band sich die Krawatte und tupfte sich sogar Parfüm hinter die Ohren. Als er unter der Treppe Stellung bezogen hatte, kamen schon die ersten Gäste. Die Männer trugen Anzüge, manche sogar Smokings, die Frauen kamen in langen Abendroben. Die Tischreihen bogen sich unter Schüsseln mit Kaviar, Rebhuhnsuppen,Kalbsbrust, Pirogen, Lammpasteten, Safranragout, frischem Obst und anderen Leckereien.
    Martin setzte sich an einen der letzten freien Tische, mit dem Rücken zum Saal, gleich gegenüber von Atanasiu.
    Er konnte die Augen nicht von

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