Tod auf der Piste
denn am Sonntag?«
Nun trat ein Ausdruck der Belustigung in sein Gesicht. »Sie meinen, weil die Patres von Ettal einen gewissen Ruf haben, auch dem Skisport zu frönen, stünden wir alle sonntags auf Skiern? Ich muss Sie enttäuschen, die Sonntage sind hier angefüllt mit Gebet, mit Gottesdienst, mit Lesungen. Muss ich Ihnen nun Mitbrüder nennen, die mir ein Alibi geben können?« Diese Vorstellung schien ihn wirklich heiter zu stimmen.
»Aber Ernst Buchwieser hatte Feinde«, beharrte Irmi.
»Die suchen Sie doch besser außerhalb dieser Mauern. Es ist oberste Pflicht im Sinne Benedikts, den Zorn nicht zur Tat werden zu lassen, der Rachsucht nicht einen Augenblick nachzugeben. So leben wir, dahin gehend leiten wir unsere Schüler an.« Er reichte ihr ein Blatt über den Tisch. »Ich habe für die Damen vorbereiten lassen, wo ich am Sonntag war, ich nehme an, dass das in Ihrer Welt von Wert ist.« Dann fingerte er ein Büchlein heraus, das kleine schwarze, das Irmi bereits kannte, und reichte es ihr. »Sie als St.-Irmengard-Absolventin mit hervorragenden Zensuren in Religion werden darin vielleicht Trost finden. Auch weil Ihre liebe Frau Mutter ja erst letztes Jahr verstorben ist. Der Verlust einer Mutter ist nur schwer zu begreifen.«
Kathi nickte er lediglich zu, wie ein älterer gütiger Herr einem Kind. Nur war der Mann noch keine fünfzig und Kathi kein Kind mehr. Dann erhob er sich. »Ich darf mich verabschieden. Wenn Sie noch Fragen haben, lassen Sie sich bitte einen Termin geben.« Er breitete die Arme aus, komplimentierte sie auf den Gang hinaus und schob sie quasi vor sich her durch die Glastür, die er wieder verschloss. Er wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Den Verwaltungsgang finden Sie da vorne. Man erwartet Sie.« Dann entschwand er über die Treppe.
5
Sie sahen ihm konsterniert nach. Irmi war sehr unzufrieden. Das Gespräch war völlig verunglückt.
»Wow! Ganz schön viel Kreativabteilung. So kann man diplomatisch ausdrücken, dass man geistig wendige Menschen nicht schätzt, oder«, meinte Kathi schließlich.
»Ja, es ist offensichtlich, dass der Schulleiter Buchwieser in die Hölle gewünscht hat. Trotz all seiner angeblichen Demut. Nun habe ich das Büchlein mit den Benediktinerregeln gleich zweimal. Eins kriegst du!« Sie lachte und verzog dann das Gesicht. »An den Mann kommt man nicht so ohne Weiteres heran. Er verschanzt sich hinter seinen Worten und dem Tagesablauf im Kloster.«
»Und ganz ehrlich: Ich kann mir den nur schlecht auf einer Skipiste vorstellen, ein Gewehr im Anschlag, oder«, meinte Kathi grinsend.
»Ich sehe ihn eher als Fadenzieher in einem Ränkespiel. Er ist sicher großartig darin, die Menschen jovial zu umgarnen. Er ist intelligent genug, scheinbar persönliches Interesse zu heucheln. Was er allein über mich in Erfahrung gebracht hat! Der Schulleiter ist sicher einer, der Probleme aussitzt. Er muss Buchwieser gehasst haben, denn der hat Menschen begeistert, ist vorangeprescht.« Irmi packte ihr Notizbuch wieder ein, lächelte Kathi an und meinte: »Na, dann auf zu unserem nächsten Kandidaten: dem Cellerar.«
»Und das ist wer?«, erkundigte sich Kathi. »Ich hatte noch nicht das Vergnügen, in dem da zu lesen.« Sie zeigte auf das Büchlein.
»Der Mann, der im Kloster wirtschaftet. Wahrscheinlich die Graue Eminenz. Wer das Geld verwaltet, hat auch Macht über die Seelen. Laut dem schwarzen Büchlein ist der Cellerar weise, reifen Charakters, nüchtern. Nicht stürmisch, verletzend oder umständlich.«
»Na dann!«, sagte Kathi, die im Gegensatz zu Irmi kein bisschen verunsichert wirkte.
Sie läuteten an einer Holztür und wurden wenig später in einen Glaskasten gebeten, der als Besprechungszimmer diente.
Wie Maria Buchwieser schon gesagt hatte, war der Cellerar ein völlig anderer Charakter als der Schuldirektor. Irmi erschien er schon auf den ersten Blick ungleich gefährlicher. Buchwieser kannte sie nur aus der Zeitung und aus den Erzählungen seiner Frau. Aber bei jedem Zusammentreffen dieser beiden Männer musste die Luft geflirrt haben, Feuersbrünste mussten entfacht worden sein, die Erde musste gebebt haben. Der Cellerar strahlte Macht aus, er überschritt Grenzen und brüskierte damit bestimmt die konservativen Kreise. Nicht umsonst hielt er Vorträge für Manager. Er verkörperte eine Klostermoderne, bei der nicht alle mitkonnten und mitwollten.
»Sie ermitteln im Mordfall Ernst Buchwieser?«, fragte der Cellerar
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