Tod auf der Themse
ist ein Wunder, ein
echtes Wunder!«
Athelstan sah sich lächelnd
um. Hin und wieder rief er einem Mitglied seiner Pfarrgemeinde einen Gruß
zu. Ursula, die Schweinebäuerin, saß auf einem Schemel in ihrer
Haustür, und ihre große Lieblingssau lag neben ihr. Athelstan hätte
schwören können, daß die Sau ihn angrinste. Tab, der
Kesselflicker, hämmerte auf dem Amboß in seiner Werkstatt einen
Topf zurecht. Athelstan wäre gern zu ihm hineingegangen, aber Sir
John bahnte sich pfeilgerade seinen Weg durch das Gedränge und
erwiderte kraftvoll die üblichen Hänseleien und gutmütigen
Schmähungen.
»Pater! Pater!«
Pemel, die Flämin, die sich das Haar in einem grotesken Rot gefärbt
hatte, kam geschäftig heran; sie trug ein schäbiges, schwarzes
Kleid, und an ihrem dürren Hals hing eine Kette aus billigen, gelben
Perlen. Pemel erinnerte Athelstan an eine ziemlich zerzauste Krähe.
»Pater, könnt Ihr
eine Messe lesen?«
Eine magere, schmutzige Hand
streckte ihm zwei Farthings entgegen. Sanft schloß Athelstan die
Finger der Hand um die Münzen.
»Eine Messe? Für
wen, Pemel?«
»Für meinen Mann.
Er ist heute vor sechzehn Jahren gestorben. Die Messe ist für seine
Seelenruhe.« Die Frau lächelte und entblößte dabei
ihre gelben Zähne. »Ach ja, Pater, und zum Dank.«
»Dafür, daß
er gelebt hat?«
»Nein, dafür, daß
der alte Halunke tot ist.«
Athelstan lächelte.
»Behalte deine Pennys, Pemel. Ich werde morgen früh eine Messe
lesen. Mach dir keine Sorgen.«
Sie bogen aus der Gasse auf
den Kirchplatz von St. Erconwald. Athelstan schloß die Tür auf,
und während Cranston sich noch gierig die Finger ableckte, gingen sie
durch das Kirchenschiff und den Lettner zum Altar, wo sie Ashby auf den
Stufen zusammengerollt tief schlafend vorfanden.
»Auf die Beine,
Bursche!« knurrte Cranston und trat dem jungen Mann gegen die
schlammverschmierten Stiefel.
Ashby schrak aus dem Schlaf
und schaute sich mit panischen Blicken um.
»Sind sie fort?«
»Ja, sie sind weg.«
Athelstan setzte sich neben ihn. »Keine Sorge. Aber sie werden
wiederkommen. Sie werden vielleicht nicht in die Kirche eindringen, aber
sie werden sie bestimmt bewachen. Ich an Eurer Stelle, mein Junge, würde
also bleiben, wo ich bin, zumindest vorläufig.«
»Wie geht es denn jetzt
weiter?« fragte Ashby angstvoll.
Cranston nahm einen Schluck
aus seinem Weinschlauch und hielt ihn dann Ashby hin. »Du kannst
vierzig Tage hierbleiben. Wenn die um sind, stellst du dich entweder den
Beamten des Sheriffs oder du begibst dich in den Kleidern, die du jetzt
anhast, auf der Straße des Königs zum nächsten Hafen und
trägst dabei ein Kreuz vor dir her. Läßt du das Kreuz
fallen oder verläßt du die Straße, so bist du vogelfrei,
und Marston und seine Männer können dich töten.«
Cranston nahm den
Weinschlauch zurück. »Marston und seine Bande werden dir
wahrscheinlich den ganzen Weg folgen. Nur wenige Kirchenflüchtlinge
erreichen den Hafen, wenn sie nicht mächtige Freunde haben.«
Ashby ließ den Kopf hängen.
»Habt Ihr ihn getötet?«
fragte Athelstan unvermittelt.
»Nein.«
»Aber Ihr hattet die
Hand am Dolch, als Marston ins Zimmer kam?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich ging hinein, sah
meinen Herrn dort liegen, und… ich wollte den Dolch herausziehen.«
»Seltsam«, sagte
Cranston nachdenklich. »Du wolltest den Dolch herausziehen? War es
denn deiner?«
»Nein, nein, es war Sir
Henrys eigener!«
»Aber statt Mordio zu
schreien und Hilfe zu holen«, warf Athelstan ein, »habt Ihr
versucht, dem Toten den Dolch aus der Brust zu ziehen?«
Ashby schaute zu Boden und
fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich sage die Wahrheit«,
murmelte er. »Ich kam ins Zimmer, sah meinen Herrn tot und
versuchte, den Dolch herauszuziehen. Marston kam herein, und ich floh.«
»Na, sag das den
Richtern des Königs«, meinte Cranston, »und du bist bald
auf dem Weg zum Schafott.«
Ashby verschränkte die
Arme und lehnte sich an den Altar.
»Was kann ich tun? Wenn
ich bleibe, muß ich hängen. Wenn ich fliehe, sterbe ich
ebenfalls.«
»Da ist noch etwas«,
sagte Cranston. »Du scheinst mir in so manchen Mord verwickelt
zu sein, mein Junge. Weißt du etwas über den Tod von Kapitän
William Roffel?«
Drei
Athelstan ging hinüber
zum Haus und holte eine Schale Hafergrütze, zwei Decken und ein
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