Tod auf der Themse
schwankte trunken und einigermaßen gefährlich in
dem Boot.
»Komm schon«,
lallte er. »Rauf mit dir! Und wenn du mir gefällig warst,
kannst du auch die anderen haben. Jeder wird dir eine Münze bezahlen.«
Das Mädchen spähte
an der halsbrecherischen Strickleiter hinauf und schluckte heftig. Der
Matrose hatte sich bereits großzügig gezeigt und ihr einen
ganzen Silbergroschen gezahlt. Jetzt hatte er sie hergebracht, damit sie
hier mit ihm und den armen Unglücksraben, die als Schiffswache zurückgeblieben
waren, weiterschmuste. Sie sah, wie er eine Silbermünze zwischen den
Fingern drehte.
»Heirate und zur Hölle
mit dir!« Es war ihr Lieblingsfluch, den sie da hervorstieß.
Sie packte die Strickleiter, und während der Seemann hinter ihr seine
Hände unter ihre Röcke schob, um sie anzutreiben, kletterte sie
über die Reling an Deck. Der Seemann folgte und purzelte neben ihr
auf die Planken, schwer atmend, mit einer Mischung aus Flüchen und
unterdrücktem Kichern. Das Mädchen stand auf.
»Na los doch!«
zischelte sie. »Beim Geschäft kommt’s auf die Zeit an,
und Zeit ist Geld. Wo sollen wir es machen?«
Sie schlang die dünnen
Arme um den Leib des Matrosen, preßte sich an ihn und fing an, sich
zu bewegen. Grinsend packte der Seemann die gefärbten Haare des Mädchens
und zog ihren Kopf an seine Brust. Er war hin- und hergerissen zwischen
der Erregung in seinen Lenden und dem bohrenden Argwohn in seinem
biervernebelten Verstand, daß hier etwas nicht stimmte.
»Das Schiff ist zu
ruhig«, knurrte er. »Bracklebury!« rief er dann. »Bracklebury,
wo steckst du?«
Das Mädchen wand sich.
»Bist du einer von denen, die es gern haben, wenn jemand zuschaut?«
flüsterte sie.
Der Matrose schlug ihr
klatschend auf den Hintern und spähte in die dunstige Finsternis.
»Verdammt, hier stimmt
was nicht«, murmelte er.
»Ach, komm!«
»Verpiß dich, du
kleine Nutte!« Grob stieß er das Mädchen von sich, packte
haltsuchend die Reling und taumelte über das Deck.
»Christus erbarme sich«,
hauchte er. »Wo sind die nur alle?« Er schaute an der
Schiffswand hinunter, ohne die Hure zu beachten, die leise maulend am Fuße
des Mastes saß. Dann spähte er über den vernebelten Fluß.
Gleich würde der Morgen dämmern; auf dem Wasser konnte er andere
Schiffe erkennen, und er sah auch ein paar Gestalten, die sich auf den
Decks hin und her bewegten. Die kalte Morgenluft pustete ihm den Bierdunst
aus dem Schädel.
»Sie sind weg«,
flüsterte er bei sich.
Er starrte hinunter auf das
dunkle, rauhe Wasser der Themse und blickte dann erneut übers Deck.
Das Beiboot lag noch vertäut auf den Planken. Ohne auf das Flehen der
immer noch am Mast kauernden Dirne zu achten, rannte er zum Achterkastell
und stieß die Tür zur Kajüte auf. Die Öllampe an
ihrem schweren Haken leuchtete ganz friedlich. Drinnen war alles unberührt,
sauber und in bester Ordnung. Der Matrose stand stocksteif und breitbeinig
da und wiegte sich mit den sanft rollenden Bewegungen des Schiffes; er
lauschte dem Knarren von Spanten und Planken und dachte an die
unheimlichen Geschichten, die er und seine Kameraden sich auf mitternächtlichen
Wachen erzählt hatten. War hier Magie am Werk gewesen? Waren
Bracklebury und die anderen beiden Besatzungsmitglieder weggezaubert
worden? Auf natürlichem Wege hatten sie das Schiff jedenfalls nicht
verlassen - das Boot war noch da, und das eiskalte Wasser dürfte
selbst den verzweifeltsten Matrosen kaum dazu verlocken, die Freuden der
Stadt schwimmend zu erreichen.
»Bracklebury!«
schrie er, als er aus der Kajüte kam. Aber zur Antwort knarrte und
ächzte nur das Schiff. Der Matrose schaute zum Mast hinauf und sah
die Nebelschleier, die ihn umwehten.
»Was ist denn los?«
heulte die Dirne.
»Halt’s Maul, du
Luder!«
Der Seemann trat zur Reling.
Er wünschte, er wäre nie zurückgekommen.
»God’s Bright
Light« höhnte er bei sich. »›Das helle Licht
Gottes‹. Aber dieses Schiff ist verflucht!«
Kapitän Roffel war ein
leibhaftiger Teufel gewesen. Jahre der blutigsten Kämpfe auf See
hatten den Matrosen abgehärtet, doch selbst in ihm war Mitleid
aufgeflackert, als er gesehen hatte, wie skrupellos Roffel mit den französischen
Gefangenen umgesprungen war. Doch jetzt war Roffel tot, hingerafft von
einer plötzlichen Krankheit. Sein Leichnam war, in Ölhäute
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