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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Fenster - »ist
     er geflohen. Den Rest kennt Ihr.«
    »War das Fenster
     gestern abend geschlossen?« fragte Athelstan.
    »Aye. Geschlossen und
     verriegelt.«
    Athelstan breitete ein Laken
     über den Toten und schloß die Bettvorhänge.
    »Warum wollte sich Sir
     Henry mit dem Kapitän eines Kriegsschiffes treffen?« fragte er.
    »Das kann ich dir sagen«,
     meinte Cranston. »Die Staatskasse ist beinahe leer. Großgrundbesitzer
     und Kaufleute wie Sir Henry sind bereit, die Schiffe auszurüsten. Dafür
     erhalten sie nicht nur die königliche Huld, sondern auch einen
     gewissen Anteil an der Kriegsbeute. Ist es nicht so, Marston?«
    Der Gefolgsmann nickte.
    »Ein einträgliches
     Geschäft«, fuhr Cranston gleichmütig fort, »welches
     sicherstellt, daß die Kapitäne nicht nur die englischen
     Seefahrer verteidigen, sondern ständig nach gut beladenen französischen
     oder nach einzelnen unbefestigten Städtchen antlang der Seine oder
     der Küste der Normandie Ausschau halten. Manchmal greifen sie sogar
     zur Piraterie gegen englische Schiffe.« Cranston nahm den Biberhut
     ab und drehte ihn in den großen Händen. »Wenn ein
     englisches Schiff verlorengeht, kann man es schließlich jederzeit
     den Franzosen in die Schuhe schieben.«
    »So war Sir Henry
     nicht!« fauchte Marston.
    »Aye«, sagte
     Cranston trocken. »Und der Kuckuck legt seine Eier nicht in fremde
     Nester.«
    Der Coroner verstummte, denn
     es klopfte an der Tür. Eine junge Frau kam herein, weiß wie ein
     Laken, mit strohblonden, offenen Haaren. Sie war erregt, verschränkte
     zunächst die Finger ineinander und spielte dann nervös mit den
     Silbertroddeln am Gürtel an ihrer schmalen Taille. Der Blick ihrer
     rotgeränderten Augen huschte zu dem großen Vierpfostenbett. Bei
     ihrem Eintritt erhob sich Marston.
    »Es tut mir leid«,
     stammelte sie und wischte sich die Hände am feinen Taftbesatz ihres
     hochgeschlossenen Kleides ab.
    Athelstan ging zu ihr hinüber
     und nahm ihre Hand. Sie war eiskalt.
    »Kommt«, sagte er
     sanft. »Setzt Euch lieber.« Er führte sie behutsam zu dem
     Schemel, den Marston freigemacht hatte. »Möchtet Ihr Wein?«   
    Die junge Frau schüttelte
     den Kopf. Ihr Blick war immer noch auf das Bett gerichtet.
    »Das ist Lady Aveline,
     Sir Henrys Tochter«, erklärte Marston. »Sie hielt sich im
     Nebenzimmer auf, als Ashby hier war.«
    Athelstan hockte sich nieder
     und schaute in Avelines Rehaugen.
    »Gott schenke ihm die
     ewige Ruhe, Mylady; Euer Vater ist tot.«
    Die junge Frau zupfte an
     einem losen Faden an ihrem Kleid und begann lautlos zu weinen. Tränen
     rollten ihr über die Wangen. 
    »Ich will ihn nicht
     sehen«, wisperte sie. »Ich kann es nicht ertragen, ihn zu
     sehen - nicht in einem blutgetränkten Nachthemd.« Sie sah
     Marston an. »Wo ist Ashby?«
    »Er hat Asyl in der
     Kirche gesucht.«
    Plötzlich brach draußen
     im Gang Tumult los. Die Tür wurde aufgestoßen, und eine
     hochgewachsene Frau mit stahlgrauem Haar kam hereingerauscht. Eine zweite
     Frau folgte ihr; sie war von ganz ähnlicher Erscheinung, aber weniger
     stürmisch. Beide Frauen trugen schwere Mäntel mit zurückgeschlagenen
     Kapuzen. Der Wirt folgte ihnen und wedelte aufgeregt mit den Händen.
    »Das solltet Ihr nicht!
     Wirklich nicht!« prustete er.
    »Ruhe!« brüllte
     Cranston. »Wer seid Ihr?«
    Die erste, größere
     der beiden Frauen reckte die Schultern und schaute Sir John ins Gesicht.
    »Mein Name ist Emma
     Roffel, Gemahlin des verstorbenen Kapitän Roffel. Ich will zu Sir
     Henry Ospring.«
    Cranston verbeugte sich.
     »Madam, mein Beileid zum Tode Eures Gatten. War er ein kränklicher
     Mann?«
    »Nein«, erwiderte
     sie schnippisch, »er war gesund wie ein Schwein.« Sie machte
     schmale Augen. »Ich kenne Euch. Ihr seid Cranston, Sir John
     Cranston, Coroner der Stadt London. Was ist hier passiert? Dieser Kerl«
     - sie deutete auf den Wirt - »sagt, Sir Henry sei ermordet worden.«
    »Ja.« Athelstan
     schob sich taktvoll dazwischen, denn er sah den Ausdruck in Cranstons
     Gesicht. »Sir Henry wurde ermordet, und wir haben den Schuldigen.«      
    Emma Roffels Miene entspannte
     sich. Athelstan musterte sie neugierig. Sie war ziemlich hübsch, fand
     er, auf eine erschöpfte Art und Weise. Er war stets fasziniert von
     Frauengesichtern, und Emma hatte ein kraftvolles Antlitz mit einer ausgeprägten
     Adlernase und einem kantigen Kinn. Die Blässe betonte die glänzenden
     dunklen Augen,

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