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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Mörder, der
     jetzt in dieser Kirche untergekrochen ist.«
    »Wie kam das?«
    Marston fuhr sich mit der
     Zunge über den Mund und betastete behutsam die Unterlippe, die
     bereits anzuschwellen begann.
    »Ich ging heute morgen
     hinauf in die Kammer, um Sir Henry zu wecken. Als ich die Tür öffnete,
     lag mein Herr im Nachthemd hingestreckt am Boden, und das Blut spritzte
     ihm aus dem Leib. Ashby kniete über ihm und hatte einen Dolch in der
     Hand. Ich wollte das Schwein verhaften, aber Ashby floh durch das Fenster.
     Den Rest kennt Ihr.«
    »In der Herberge
     ›Zum Abt von Hyde‹?« fragte Cranston. »Na, das
     wollen wir uns mal selbst ansehen.« Er wandte sich an Athelstan.
     »Schließ deine Kirche ab, Pater. Laß uns den Tatort
     besichtigen.«
    Athelstan tat, wie geheißen.
     Cranston marschierte im Sturmschritt die Gasse hinauf, so daß die
     anderen ihm nacheilen mußten. Im »Abt von Hyde«
     herrschten Chaos und Aufruhr - Schankdirnen heulten in der Gaststube, und
     andere Dienstboten hockten bleich und verängstigt da. Der Wirt
     stammelte vor Entsetzen. Er verbeugte sich unter Kratzfüßen,
     als Cranston eintrat und einen Humpen Weißwein verlangte, den er auf
     der Stelle austrank, um dann die breite Holztreppe hinaufzustürmen.
     Marston lief ihm den Gang entlang voraus und deutete auf die Mordkammer.
    Cranston stieß die Tür
     auf. Drinnen war alles durcheinandergeworfen. Die Laken waren von dem großen
     Vierpfostenbett gerissen worden, halb offene Truhen waren umgestürzt,
     und ein Weinbecher lag zwischen den Binsen auf dem Fußboden. Was
     ihnen aber gleich ins Auge fiel, war der Leichnam neben dem Bett; mit ausgebreiteten Armen
     lag er da, und die dünnen, haarigen Beine sahen erbärmlich aus,
     wie sie so unter dem sahneweißen, wollenen Nachthemd hervorschauten.
     Der Dolch, der dem Mann bis zum Heft in der Brust steckte, war lang und dünn.
     Das Blut war in einem großen roten Kreis herausgespritzt. Das
     Gesicht des Toten, schmal und spitz wie das eines Fuchses, zeigte in den
     offenen, starren Augen immer noch den Schrecken des Todes. Auch der Mund
     stand offen; aus dem Mundwinkel war ein inzwischen getrocknetes
     Blutrinnsal geflossen.
    »Gott erbarme sich«,
     flüsterte Athelstan. »Helft mir, Sir John.«
    Zusammen hoben sie den
     Leichnam auf das Bett. Ohne auf das Blut in den weißen Haaren zu
     achten, kniete Athelstan nieder und sprach die Worte der Absolution in das
     Ohr des Mannes und schlug dann ein Kreuz über ihm.
    »Ego te absolvo«,
     flüsterte er, »a peccatis tuis in nomine Patris et Filii. Ich
     spreche dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes…«
    Cranston schnupperte,
     weltlicher gesonnen, am Weinkrug, während der Ordensbruder die
     Sterberiten vollzog. Er ging in der Kammer umher, hob dies und jenes auf,
     befühlte Kleidungsstücke und stocherte mit der Stiefelspitze in
     der Binsenstreu auf dem Boden.
    »Erzähl mir noch
     einmal, was passiert ist«, knurrte er und schaute sich nach dem
     inzwischen unterwürfigen und respektvollen Marston um.
    »Ashby ist Sir Henrys
     Knappe. Er ist soeben von einer Seereise mit der God’s Bright Light
     zurückgekommen.«
    Cranston wandte sich ab, um
     seine Überraschung zu verbergen.
    »Sir Henry war nach
     London gekommen, um sich mit Roffel, dem Kapitän, zu treffen.«
    »Weißt du, daß
     der auch tot ist?« fragte Cranston scharf.
    Marston machte runde Augen
     vor Überraschung. »Ihr meint, Roffel…«
    »Ja. Er ist vor zwei
     Tagen gestorben. Ist an Bord seines Schiffes krank geworden. Als sie den
     Hafen von London erreichten, war er tot.« Cranston nickte, als er
     Athelstans überraschtes Gesicht sah. »Deshalb bin ich nach
     Southwark gekommen. Und nicht nur Roffel ist unter ziemlich mysteriösen
     Umständen gestorben. Letzte Nacht sind der Erste Maat und die beiden
     Männer der Wache von Bord der God’s Bright Light verschwunden.
     Aber lassen wir das.« Er sah Marston an. »Sprich weiter.«
    Marston kratzte sich am Kopf.
     »Also, Sir Henry war jedenfalls hier, um mit Kapitän Roffel zu
     reden. Er hat stets hier gewohnt und ist mit der Barke flußabwärts
     gefahren, wenn er sich mit dem Kapitän traf.« Unaufgefordert
     ließ Marston sich auf einen Schemel fallen. »Heute morgen kam
     ich, um Sir Henry zu wecken. Die Tür war nur angelehnt. Ich stieß
     sie auf. Ashby kniete bei der Leiche, und seine Hand umklammerte den
     Dolch. Und dann« - Marston deutete auf das offene

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