Tod auf der Themse
Mörder, der
jetzt in dieser Kirche untergekrochen ist.«
»Wie kam das?«
Marston fuhr sich mit der
Zunge über den Mund und betastete behutsam die Unterlippe, die
bereits anzuschwellen begann.
»Ich ging heute morgen
hinauf in die Kammer, um Sir Henry zu wecken. Als ich die Tür öffnete,
lag mein Herr im Nachthemd hingestreckt am Boden, und das Blut spritzte
ihm aus dem Leib. Ashby kniete über ihm und hatte einen Dolch in der
Hand. Ich wollte das Schwein verhaften, aber Ashby floh durch das Fenster.
Den Rest kennt Ihr.«
»In der Herberge
›Zum Abt von Hyde‹?« fragte Cranston. »Na, das
wollen wir uns mal selbst ansehen.« Er wandte sich an Athelstan.
»Schließ deine Kirche ab, Pater. Laß uns den Tatort
besichtigen.«
Athelstan tat, wie geheißen.
Cranston marschierte im Sturmschritt die Gasse hinauf, so daß die
anderen ihm nacheilen mußten. Im »Abt von Hyde«
herrschten Chaos und Aufruhr - Schankdirnen heulten in der Gaststube, und
andere Dienstboten hockten bleich und verängstigt da. Der Wirt
stammelte vor Entsetzen. Er verbeugte sich unter Kratzfüßen,
als Cranston eintrat und einen Humpen Weißwein verlangte, den er auf
der Stelle austrank, um dann die breite Holztreppe hinaufzustürmen.
Marston lief ihm den Gang entlang voraus und deutete auf die Mordkammer.
Cranston stieß die Tür
auf. Drinnen war alles durcheinandergeworfen. Die Laken waren von dem großen
Vierpfostenbett gerissen worden, halb offene Truhen waren umgestürzt,
und ein Weinbecher lag zwischen den Binsen auf dem Fußboden. Was
ihnen aber gleich ins Auge fiel, war der Leichnam neben dem Bett; mit ausgebreiteten Armen
lag er da, und die dünnen, haarigen Beine sahen erbärmlich aus,
wie sie so unter dem sahneweißen, wollenen Nachthemd hervorschauten.
Der Dolch, der dem Mann bis zum Heft in der Brust steckte, war lang und dünn.
Das Blut war in einem großen roten Kreis herausgespritzt. Das
Gesicht des Toten, schmal und spitz wie das eines Fuchses, zeigte in den
offenen, starren Augen immer noch den Schrecken des Todes. Auch der Mund
stand offen; aus dem Mundwinkel war ein inzwischen getrocknetes
Blutrinnsal geflossen.
»Gott erbarme sich«,
flüsterte Athelstan. »Helft mir, Sir John.«
Zusammen hoben sie den
Leichnam auf das Bett. Ohne auf das Blut in den weißen Haaren zu
achten, kniete Athelstan nieder und sprach die Worte der Absolution in das
Ohr des Mannes und schlug dann ein Kreuz über ihm.
»Ego te absolvo«,
flüsterte er, »a peccatis tuis in nomine Patris et Filii. Ich
spreche dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes…«
Cranston schnupperte,
weltlicher gesonnen, am Weinkrug, während der Ordensbruder die
Sterberiten vollzog. Er ging in der Kammer umher, hob dies und jenes auf,
befühlte Kleidungsstücke und stocherte mit der Stiefelspitze in
der Binsenstreu auf dem Boden.
»Erzähl mir noch
einmal, was passiert ist«, knurrte er und schaute sich nach dem
inzwischen unterwürfigen und respektvollen Marston um.
»Ashby ist Sir Henrys
Knappe. Er ist soeben von einer Seereise mit der God’s Bright Light
zurückgekommen.«
Cranston wandte sich ab, um
seine Überraschung zu verbergen.
»Sir Henry war nach
London gekommen, um sich mit Roffel, dem Kapitän, zu treffen.«
»Weißt du, daß
der auch tot ist?« fragte Cranston scharf.
Marston machte runde Augen
vor Überraschung. »Ihr meint, Roffel…«
»Ja. Er ist vor zwei
Tagen gestorben. Ist an Bord seines Schiffes krank geworden. Als sie den
Hafen von London erreichten, war er tot.« Cranston nickte, als er
Athelstans überraschtes Gesicht sah. »Deshalb bin ich nach
Southwark gekommen. Und nicht nur Roffel ist unter ziemlich mysteriösen
Umständen gestorben. Letzte Nacht sind der Erste Maat und die beiden
Männer der Wache von Bord der God’s Bright Light verschwunden.
Aber lassen wir das.« Er sah Marston an. »Sprich weiter.«
Marston kratzte sich am Kopf.
»Also, Sir Henry war jedenfalls hier, um mit Kapitän Roffel zu
reden. Er hat stets hier gewohnt und ist mit der Barke flußabwärts
gefahren, wenn er sich mit dem Kapitän traf.« Unaufgefordert
ließ Marston sich auf einen Schemel fallen. »Heute morgen kam
ich, um Sir Henry zu wecken. Die Tür war nur angelehnt. Ich stieß
sie auf. Ashby kniete bei der Leiche, und seine Hand umklammerte den
Dolch. Und dann« - Marston deutete auf das offene
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