Tod auf der Themse
die angekettet auf einem schweren Pult
neben seinem Tisch lag.
»Erhebe deine Hand,
Pater, und lege den Eid ab.«
Der Priester gehorchte.
»Laß die Hand, wo
sie ist«, befahl Cranston. »Und jetzt, Pater, erzähl mir
von Eleanor Raggleweed.«
»Eine gutherzige Frau«,
antwortete der Priester. »Brav und treu, Sir John. Ihr Ehemann kämpfte
bei Euren Bogenschützen, als Ihr
im Dienste Sir John Chandos und des Prinzen Edward standet.«
Cranston lehnte sich zurück,
und sein Unterkiefer klappte herunter, als er sich plötzlich an
Raggleweed erinnerte, einen meisterhaften Bogenschützen und fröhlichen
Burschen, ehrlich, tapfer und treu. Er sah den alten Priester an.
»Und diese Vorwürfe?«
»Bei Christus und
Seiner Mutter, Sir John: krasse Lügen.«
Sir John nickte und winkte
dem Priester, er möge zurücktreten.
»Dies ist mein Urteil.
Erstens: Du, Mistress Alice Frogmore, bist schuldig der Mißachtung
des Gerichts. Die Strafe dafür beträgt vier Penny. Zweitens: Du,
Mistress Alice Frogmore, hast die Zeit dieses Gerichts verschwendet. Die
Strafe dafür beträgt noch einmal vier Penny. Überdies«
- wutfunkelnd schaute er der fetten Frau ins haßerfüllte
Gesicht - »sollst du verpflichtet sein, für alle Zeit Frieden
zwischen dir und Mistress Eleanor Raggleweed, deiner Nachbarin, zu wahren.
Was sagst du dazu?«
»Aber die Kröte
war auf unserem Grundstück!« wimmerte sie.
»Ach ja.«
Cranston wandte sich Eleanor Raggleweed zu. »Eleanor Raggleweed,
deine Kröte namens ›Thomas‹« - jetzt hatte auch
Cranston Mühe, ernste Miene zu bewahren - »hat sich des
unbefugten Betretens eines fremden Grundstücks schuldig gemacht. Zur
Strafe bezahlst du die kleinste Münze des Reiches: einen Farthing.«
Eleanor lächelte.
Cranston funkelte die Kröte an, die fröhlich zurückquakte.
»Du, Thomas Kröte,
wirst hiermit zum Mündel des Gerichts ernannt.« Er warf
den Frogmores einen bösen Blick zu. »Wenn dem Tier also etwas
passiert, werdet ihr zur Verantwortung gezogen.«
»Das ist nicht gerecht«,
winselte Frogmore. »Ich werde Berufung einlegen.«
»Verpißt euch!«
brüllte Cranston. »Büttel, räumt die Kammer!«
Eleanor Raggleweed nahm die
Kröte auf und gesellte sich zu dem Priester, der sie leise beglückwünschte.
Die Frogmores wühlten niedergeschmettert in ihrer Börse und
reichten Osbert widerstrebend das Bußgeld. Cranston lehnte den Kopf
an die Stuhllehne und belohnte sich mit einem weiteren tiefen Schluck aus
seinem Weinschlauch.
»Teufelsschwanz und
Satanszitzen!« knurrte er und warf einen Blick auf die Stundenkerze
in ihrem eisernen Halter. »Es ist noch nicht einmal zehn Uhr früh,
und ich bin bereits völlig erledigt von diesem Unfug.« Er
blickte zu Osbert. »Hast du je solchen Blödsinn gehört?«
Osbert leckte sich die
schmalen Lippen und schüttelte wortlos den Kopf. Es war immer lustig,
Schreiber in Sir Johns Gericht zu sein; der dicke, weinselige Coroner war
bekannt für seine unverblümte Art und seine Unnachgiebigkeit
gegen Dummköpfe wie auch für seine unbestechliche Ehrlichkeit.
»Noch nie«, erzählte
Osbert seiner pausbäckigen Ehefrau und seinen Kindern, »noch
nie habe ich erlebt, daß Sir John sich durch Angst oder
Voreingenommenheit ins Wanken bringen ließ. Er ist gradlinig wie ein
Pfeil, der von der Bogensehne schwirrt.«
Der Schreiber beugte sich vor
und nahm eine schmierige Pergamentrolle zur Hand. Zu gern studierte er die
Launen des Coroners.
»So, Sir John - die nächste
Sache wird Euch gefallen.«
»Berichte«,
brummte Cranston.
»Nun, Rahere, der
Bratkoch, hat eine Garküche in einer Gasse abseits der Seething Lane.
Sein Nachbar, der Bäcker Bernard, ist sein erbitterte Rivale. Die
beiden können sich nicht ausstehen.«
»Und?« bellte
Cranston.
»Rahere hat sich neue
Latrinen graben lassen.«
»Ja?«
»Und Bernard behauptet,
Rahere habe sie aus Bosheit und Niedertracht so graben lassen, daß
die ganze Jauche nun in den Keller seiner Bäckerei sickert.«
»Oh, beim Hintern einer
Fee!« stöhnte Cranston. »Daß du mich nur stets
daran gemahnst, Osbert, in beiden Häusern nie etwas zu essen.«
Er schmatzte beim Gedanken an die knusprig goldene Wachtelpastete, die ihm
die Wirtin vom »Heiligen Lamm Gottes« für heute
zubereiten wollte. »Muß ich diesen Fall jetzt verhandeln?«
Der Schreiber nickte
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