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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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wußte. Sie schrak zusammen, als eine vermummte Gestalt neben ihr
     auftauchte.
    »Bernicia, wie reizend,
     dich hier zu sehen.«
    Der Mann wartete nicht auf
     eine Einladung, sondern setzte sich ihr gegenüber auf den Stuhl. Wie
     viele Gäste hier weigerte er sich, seine Kapuze abzustreifen, aber Bernicia sah das Funkeln der
     Augen in einem harten, sonnenverbrannten Gesicht. Ihr Blick fiel auf die Hände
     des Fremden, wettergegerbt, aber sauber und mit kurzgeschnittenen Nägeln.
     Bernicia lächelte; ein Seemann, dachte sie, vielleicht ein Kapitän
     wie Roffel? Sie rückte ihren Stuhl näher an den Tisch.
    »Möchtest du Wein?«
    Der Fremde legte ein Silberstück
     auf den Tisch. Bernicias Augen weiteten sich, und hastig füllte sie
     den Becher für den unerwarteten Gast.
    »Wer bist du?«
    »Wir hatten einen
     gemeinsamen Bekannten«, sagte der Fremde.
    »Wen denn?«
    »Kapitän William
     Roffel, den ehemaligen Herrn über das Schiff God’s Bright
     Light. Der Mistkerl verschimmelt jetzt in seinem Grab auf dem Friedhof von
     St. Mary Magdalene. Du warst seine Dirne?«
    »Ich war seine Freundin«,
     verbesserte Bernicia verärgert.
    »Nun, ich möchte,
     daß du auch meine Freundin bist«, sagte der Mann. »Nimm
     dieses Silberstück als Unterpfand meiner Freundschaft.«
    Die Silbermünze
     verschwand. Bernicia erhob keine Einwände, als die Hand des Fremden
     unter den Tisch glitt und ihr Bein zu liebkosen begann.
    »Woher kanntest du
     Kapitän Roffel?« fragte sie. Als sie sich umschaute, sah sie
     den Pagen dastehen. »Geh weg!« rief sie mit einem Schmollmund.
     »Geh und bring uns noch Weißwein und einen Teller mit
     Zuckerwerk für meinen Freund!«
    Sie wartete, bis der Page
     sich hinternwackelnd außer Hörweite begeben hatte.
    »Also? Wer bist du?«
    »Ich habe einmal bei
     Roffel auf der God’s Bright Light gedient.«
    Bernicia verbarg das Gesicht
     hinter den Fingern und kicherte.
    »Was erheitert dich so?«
    »Bist du einer von der
     Wache?«
    Der Fremde lachte leise.
     »Vielleicht. Ein Mann, der für tot gehalten wird, ist für
     niemanden mehr eine Gefahr, vor allem nicht, wenn er ein Vermögen in
     Silber besitzt.«
    Bernicia fuhr sich mit der
     Zunge über karmesinrot geschminkte Lippen; sie beugte sich vor und
     berührte sanft die Wange des Mannes.
    »Mochtest du Roffel?«
     fistelte die Hure.
    »Er war ein Schwein«,
     antwortete der Fremde, »und er hat bekommen, was er verdient hat.
     Genau wie ich. Kanntest du jemanden von seiner Mannschaft?«
    Bernicia schüttelte den
     Kopf. »Kapitän Roffel hat mich immer ferngehalten von dem, was
     er seinen ›Beruf‹ nannte. Aber einige seiner Männer«,
     fügte sie in nörgelndem Ton hinzu, »wußten wohl von
     mir.« Bernicia schob sich noch ein bißchen näher. »Ich
     glaube, ich habe dich schon einmal gesehen. Bist du nicht Bracklebury, der
     Erste Maat?«
    Der Seemann lachte. »Was
     bedeutet das schon? Ich glaube, du wirst noch mehr von mir zu sehen
     bekommen, wer immer ich sein mag.«
    »Wieviel mehr?«
     neckte Bernicia.
    Der Page brachte einen neuen
     Krug Wein, und der Abend nahm seinen Fortgang. Irgendwann brachen Bernicia
     und ihr neugefundener Patron auf.
    »Komm«, wisperte
     sie, während sie durch die Gassen eilten. »Sei heute nacht mein
     Gast.«
    Sie erreichten Bernicias
     Haus, und sie führte ihren Gast zu dem Erker, in dem auch
     Athelstan und Cranston gesessen hatten. Das Feuer war entfacht, Kerzen
     angezündet und Wein aufgetischt. Der Seemann nahm Mantel und Kapuze
     ab und genoß die wohlige Wärme, während Bernicia ihn
     unauffällig musterte; sie sah wohl die guten Stiefel mit den hohen
     Absätzen, die lederne Jacke und das weiße Leinenhemd, das am
     Hals offen stand. Sie berührte ihren Gürtel, in dem das Silberstück
     steckte, und lächelte verstohlen.
    »Wieviel hat Roffel dir
     erzählt?« fragte der Seemann plötzlich.
    Bernicia lachte nur. Der Mann
     beugte sich vor, und seine Augen waren hart.
    »Über seine letzte
     Reise und das Silber?«
    Bernicia klapperte mit den
     Wimpern und schaute den Seemann kokett an.
    »Ich verrate keine
     Geheimnisse«, flüsterte die Hure. »Roffel ist tot. Er
     kann mit seinem Silber zur Hölle fahren. Na, komm! Ich will darüber
     nicht weiter reden. Noch etwas Wein?«
    Bernicia erhob sich, nahm den
     Becher des Seemanns und ging hinüber zu einem kleinen Tisch, um ihm
     nachzuschenken. Dabei lächelte sie, fuhr aber erschrocken herum, als
     sie einen Schritt hörte.

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