Tod auf der Themse
ins
Feuer, stand auf und verließ die Schenke.
In einem anderen Teil der
Stadt machte sich Bernicia für den Abend zurecht. Sie saß vor
der polierten Stahlscheibe, die ihr als Spiegel diente, und betrachtete
sich lächelnd.
»Er … sie
…«, murmelte sie.
Sie würde allen falschen
Anschein fällenlassen; schließlich war ihr Geheimnis bei
Cranston sicher. Bernicia sah sich als Frau; sie dachte wie eine und fühlte
wie eine. Sie betrachtete die billigen Ringe an ihren Fingern und war
froh, daß Roffel tot war. Keine abgehackten Gliedmaßen, keine
blutigen Geschenke, keine Grausamkeiten mehr! Bernicia war entschlossen,
ein neues Leben zu beginnen. Sie beendete ihre Toilette, raffte ihren
pelzgefütterten Kapuzenumhang an sich, löschte die Kerzen und
schlüpfte hinaus auf die schattendunkle Straße, nachdem sie die
Haustür hinter sich verschlossen hatte. Weit hatte sie es nicht; bald
war sie an einer kleinen Schenke an der Ecke der Pigsnout Alley
angekommen, einer schäbigen, schmutzigen Saufhöhle, wo die Männer
auf wackligen Schemeln saßen und Fässer als Tische dienten.
Bernicia ging auf den wohlhabend aussehenden Wirt zu, der ein ledernes
Wams trug, eine braune Wollhose und eine fleckenlose weiße Schürze.
Sie sah ihm an, daß er sie erkannte, aber das Ritual war immer das
gleiche.
»Mistress, was möchtet
Ihr?«
»Einen Becher Wein.«
»Roten oder weißen?«
»Beides hätte ich
gern.«
»Und welche Sorte darf
es sein?«
Bernicia erinnerte sich an
die Parole für diese Woche. »Es heißt, der Saft von
Bastogne sei frisch.«
Der Mann winkte sie durch in
die kleine Küche und über einen gepflasterten Hof in eine Hütte,
die wie eine Latrine aussah, doch in dem kleinen Raum waren Tische und
Kornsäcke gelagert. Büschel von gelbem Heu und Stroh bedeckten
den Boden wie ein dicker Teppich. Der Wirt schob einen Handkarren
beiseite, befreite eine Stelle des Bodens mit dem Fuß vom Stroh und
legte eine Falltür frei. Er zog sie auf -sie machte kaum ein Geräusch.
Bernicia lächelte, als sie den Lichtschein sah und leises Geplauder hörte,
den Klang einer Gambe und gedämpftes Lachen. Sie raffte ihren Rock
hoch und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Der Raum dort unten war
riesig, ein ausgedehnter, unterirdischer Lagerraum, dessen Wände und
Säulen sauber geschrubbt und weiß gestrichen waren. Überall
waren Fackeln angebracht, die Licht und ein wenig Wärme spendeten.
Bernicia blieb im Schatten am Fuße der Treppe stehen und schaute mit
kajalgeschwärzten Augen in die Runde. Ein paar der Gäste kannte
sie; es waren Geschöpfe wie sie, die ein heimliches Leben unter denen
führten, deren Gelüste sie befriedigten - Geistlichen,
Kaufleuten, gelegentlich sogar Adligen. Jeder Tisch mit seinen beiden Stühlen
war sorgsam so aufgestellt, daß man möglichst intim und
unbelauscht beieinander saß; so konnten die Gäste sich
unterhalten und zugleich aufmerksam beobachten, wer da kam und ging, ob
über die Treppe oder durch den geheimen Gang am hinteren Ende des
Raumes. Die Luft duftete süß; Kerzen und Kohlenbecken verströmten
den Geruch von Kräutern, der sich mit dem schweren Parfüm
mischte, mit dem einige der Gäste ihre Leiber wuschen. Gleichwohl spürte
Bernicia unterschwellige Erregung, ja, Gefahr. Jeder hier war wachsam und
auf der Hut vor Verrätern und Spitzeln. Wenn die königliche
Wache in einen solchen Ort eindrang, würden die Anwesenden entweder
auf das Schafott geschickt oder, schlimmer noch, in Smithfield gepfählt
werden.
Ein Page in einer hautengen
Hose und einem offenen Leinenhemd kam federnd und hüftenschwenkend
auf sie zu.
»Einen Tisch, Mistress?«
Bernicia lächelte und küßte
den Knaben auf die Wangen.
»Natürlich.«
Der Page tänzelte vor
ihr her und führte sie zu einem Tisch zwischen zwei Pfeilern. Er
stellte eine kleine, umschirmte Kerze auf und brachte auf Bernicias Bitte
hin einen Krug mit kühlem Weißwein und zwei Becher.
»Kapitän Roffel
kommt nicht?« fragte der Page.
»Ich glaube nicht«,
antwortete Bernicia hämisch. »Es sei denn, er könnte aus
dem Sarg klettern.«
Der Junge zog einen mädchenhaften
Schmollmund und ging davon. Bernicia goß sich einen Becher Wein ein
und wartete. Vielleicht hatte sie heute abend das Glück, einen neuen
Patron zu finden, jemanden, der ihre Fähigkeiten als Kurtisane zu schätzen
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