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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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ins
     Feuer, stand auf und verließ die Schenke.
    In einem anderen Teil der
     Stadt machte sich Bernicia für den Abend zurecht. Sie saß vor
     der polierten Stahlscheibe, die ihr als Spiegel diente, und betrachtete
     sich lächelnd.
    »Er … sie
     …«, murmelte sie.
    Sie würde allen falschen
     Anschein fällenlassen; schließlich war ihr Geheimnis bei
     Cranston sicher. Bernicia sah sich als Frau; sie dachte wie eine und fühlte
     wie eine. Sie betrachtete die billigen Ringe an ihren Fingern und war
     froh, daß Roffel tot war. Keine abgehackten Gliedmaßen, keine
     blutigen Geschenke, keine Grausamkeiten mehr! Bernicia war entschlossen,
     ein neues Leben zu beginnen. Sie beendete ihre Toilette, raffte ihren
     pelzgefütterten Kapuzenumhang an sich, löschte die Kerzen und
     schlüpfte hinaus auf die schattendunkle Straße, nachdem sie die
     Haustür hinter sich verschlossen hatte. Weit hatte sie es nicht; bald
     war sie an einer kleinen Schenke an der Ecke der Pigsnout Alley
     angekommen, einer schäbigen, schmutzigen Saufhöhle, wo die Männer
     auf wackligen Schemeln saßen und Fässer als Tische dienten.
     Bernicia ging auf den wohlhabend aussehenden Wirt zu, der ein ledernes
     Wams trug, eine braune Wollhose und eine fleckenlose weiße Schürze.
     Sie sah ihm an, daß er sie erkannte, aber das Ritual war immer das
     gleiche.
    »Mistress, was möchtet
     Ihr?«
    »Einen Becher Wein.«
    »Roten oder weißen?«
    »Beides hätte ich
     gern.«
    »Und welche Sorte darf
     es sein?«
    Bernicia erinnerte sich an
     die Parole für diese Woche. »Es heißt, der Saft von
     Bastogne sei frisch.«
    Der Mann winkte sie durch in
     die kleine Küche und über einen gepflasterten Hof in eine Hütte,
     die wie eine Latrine aussah, doch in dem kleinen Raum waren Tische und
     Kornsäcke gelagert. Büschel von gelbem Heu und Stroh bedeckten
     den Boden wie ein dicker Teppich. Der Wirt schob einen Handkarren
     beiseite, befreite eine Stelle des Bodens mit dem Fuß vom Stroh und
     legte eine Falltür frei. Er zog sie auf -sie machte kaum ein Geräusch.
     Bernicia lächelte, als sie den Lichtschein sah und leises Geplauder hörte,
     den Klang einer Gambe und gedämpftes Lachen. Sie raffte ihren Rock
     hoch und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Der Raum dort unten war
     riesig, ein ausgedehnter, unterirdischer Lagerraum, dessen Wände und
     Säulen sauber geschrubbt und weiß gestrichen waren. Überall
     waren Fackeln angebracht, die Licht und ein wenig Wärme spendeten.
     Bernicia blieb im Schatten am Fuße der Treppe stehen und schaute mit
     kajalgeschwärzten Augen in die Runde. Ein paar der Gäste kannte
     sie; es waren Geschöpfe wie sie, die ein heimliches Leben unter denen
     führten, deren Gelüste sie befriedigten - Geistlichen,
     Kaufleuten, gelegentlich sogar Adligen. Jeder Tisch mit seinen beiden Stühlen
     war sorgsam so aufgestellt, daß man möglichst intim und
     unbelauscht beieinander saß; so konnten die Gäste sich
     unterhalten und zugleich aufmerksam beobachten, wer da kam und ging, ob
     über die Treppe oder durch den geheimen Gang am hinteren Ende des
     Raumes. Die Luft duftete süß; Kerzen und Kohlenbecken verströmten
     den Geruch von Kräutern, der sich mit dem schweren Parfüm
     mischte, mit dem einige der Gäste ihre Leiber wuschen. Gleichwohl spürte
     Bernicia unterschwellige Erregung, ja, Gefahr. Jeder hier war wachsam und
     auf der Hut vor Verrätern und Spitzeln. Wenn die königliche
     Wache in einen solchen Ort eindrang, würden die Anwesenden entweder
     auf das Schafott geschickt oder, schlimmer noch, in Smithfield gepfählt
     werden.    
    Ein Page in einer hautengen
     Hose und einem offenen Leinenhemd kam federnd und hüftenschwenkend
     auf sie zu.
    »Einen Tisch, Mistress?«
    Bernicia lächelte und küßte
     den Knaben auf die Wangen.
    »Natürlich.«
    Der Page tänzelte vor
     ihr her und führte sie zu einem Tisch zwischen zwei Pfeilern. Er
     stellte eine kleine, umschirmte Kerze auf und brachte auf Bernicias Bitte
     hin einen Krug mit kühlem Weißwein und zwei Becher.
    »Kapitän Roffel
     kommt nicht?« fragte der Page.
    »Ich glaube nicht«,
     antwortete Bernicia hämisch. »Es sei denn, er könnte aus
     dem Sarg klettern.«
    Der Junge zog einen mädchenhaften
     Schmollmund und ging davon. Bernicia goß sich einen Becher Wein ein
     und wartete. Vielleicht hatte sie heute abend das Glück, einen neuen
     Patron zu finden, jemanden, der ihre Fähigkeiten als Kurtisane zu schätzen
    

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