Tod auf der Themse
Lady Maude wartet. Willst du mitkommen?«
Athelstan schüttelte den
Kopf. Er rollte sein Pergament zusammen und schob es mit seinen Schreibgeräten
in die Ledertasche.
»Nein, Sir John, ich
gehe lieber nach Hause.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Benedicta
kommt bald zurück, und ich habe ein paar Fragen an Master Ashby. Außerdem
mache ich mir Sorgen wegen Marston, der sich vor der Kirche herumtreibt.
Dieses Problem müssen wir auch noch lösen, Sir John.«
Cranston stand auf und drehte
seinen Biberhut in den Händen. »Aye«, knurrte er, »und
Shawditch wird wegen dieses verfluchten Einbrechers auch schon an meine Tür
hämmern. Wirst du gefahrlos heimkehren können, Bruder?«
Athelstan erhob sich. »Wer«,
fragte er mit großer Feierlichkeit, »würde es wagen, dem
Secretarius des Coroners der Stadt London ein Haar zu krümmen?«
Sir John grinste und
entfernte sich.
»Und vergeßt
nicht, Sir John«, rief Athelstan ihm nach, ohne auf die überraschten
Blicke der anderen Gäste zu achten, »Ihr habt versprochen, in
unserem Stück die Rolle des Satans zu spielen!«
»Keine Sorge!«
rief Cranston zurück. »Sogar Lord Beelzebub wird kochen vor
Neid, wenn er mich in all meiner fürstlichen Pracht auf der Bühne
sieht.«
Cranston rauschte hinaus, und
Leif hüpfte schnatternd wie ein Eichhörnchen hinter ihm her.
Athelstan seufzte. Er holte
sein Pferd aus dem Stall und ritt durch die stille, dunkle Cheapside. Das
alte Pferd fand seinen Weg allein; er saß halb dösend im
Sattel, und die Ereignisse des Tages schwirrten noch einmal durch seine
Gedanken. Um ihn herum waren die Laute der Nacht - Geschrei und Gesang aus
den Schenken, Kindergeheul aus einem hohen Fenster, Hundegebell. Katzen
schlichen zwischen den Schatten umher und durchstreiften die Kloaken,
stets wachsam auf der Suche nach den Mäusen und Ratten, die dort stöberten. Athelstan
bekreuzigte sich und intonierte leise in der Dunkelheit: »Vem Sancte
Spiritus - komm, Heiliger Geist, und sende vom Himmel herab Dein Licht…«
Als er an der London Bridge
ankam, zeigte er den Ausweis vor, den Sir John ihm gegeben hatte, und die
Wache ließ ihn passieren. Auf halbem Wege hielt er an; zwischen den
zusammengedrängten Gebäuden auf der Brücke schimmerte die
Themse herauf. Der Nachtnebel riß auf und offenbarte die
Schlachtschiffe, die dort vor Anker lagen.
»Oh Herr«, betete
Athelstan, »löse diese Rätsel und kläre die
schrecklichen Morde, die Geheimnisse des Meeres.«
Und er dachte an all die
Leute, denen er an diesem Tag begegnet war: Emma Roffel, der
Menschenfischer, die arme, unglückliche ermordete Magd, die
Revisoren, rätselhaft und bedrohlich.
»Wir sind wie scharfe
unverhüllte Messerklingen«, murmelte er. »Wenn wir uns
drehen, schneiden wir.«
Er trieb Philomel voran und
trabte von der Brücke hinunter in das Gewirr der Gassen von
Southwark.
Acht
Und während Athelstan
nach St. Erconwald ritt, begannen andere, die ebenfalls in die Geheimnisse
um die God’s Bright Light verwickelt waren, zu handeln. Der Mann,
der in einer Schenke bei Queen’s Hithe saß, starrte durch das
offene Fenster hinaus und sah zu, wie der Nebel über dem Fluß
immer dichter wurde. Er bemühte sich, die mörderische Wut im
Zaum zu halten, die heiß in seinen Adern kochte und ihm das Blut
durch Kopf und Herz hämmern ließ. Seine Hand lag auf dem Dolch
an seinem Gürtel.
»So weit weg«,
murmelte er. »So verdammt weit weg, und doch so nah!«
Er holte tief Luft, schloß
die Augen und lehnte sich zurück. Er dachte an Roffel, wie er über
das Deck stapfte; der Wind blähte das Großsegel, und das Schiff
zerteilte die Wellen, wie ein Messer durch Sahne schneidet - mit Kurs auf
das Fischerboot. Die Mannschaft dort war dem Untergang geweiht! Roffel führte
die Entermannschaft selbst an; er verschloß die Ohren vor den um
Gnade flehenden Schreien, vor allem vor den Schreien dieser Engländer.
Und später dann, in der Kapitänskajüte…
Der Mann öffnete die
Augen und beugte sich vor. Alles hatte sich so gut angelassen, und dann
wurde Roffel auf mysteriöse Weise krank und starb. Jetzt war alles
verloren. Der Mann senkte den Blick auf das Pergament, das ihm in die Hand
gedrückt worden war, als er in der Vintry
gesessen und getrunken hatte. Er las es noch einmal.
»Das verdammte Luder!«
fluchte er.
Er warf das Pergament
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