Tod auf der Themse
nicht.«
»Ich war bei John
Cranston«, murmelte Athelstan.
Aber bevor er erzählen
konnte, was sich ereignet hatte, schob Benedicta ihn sanft durch die Küche
und forderte ihn auf, zu essen, bevor die süße Grütze kalt
wurde. Athelstan gehorchte; er bemühte sich, seine heimliche Freude
über das Wiedersehen mit der Freundin zu verbergen. Bonaventura, der
die Nacht mit Jagd und Liebeswerben verbracht hatte, kam durch das offene
Fenster herein und forderte mit klagendem Maunzen sein Schälchen
Milch. Dann schleckte er gierig und streckte sich vor dem lodernden Feuer
aus, während Benedicta von ihrer Besuchsreise berichtete. Danach saß
sie geduldig da und hörte zu, wie Athelstan ihr von den Geheimnissen
um die God’s Bright Light erzählte, vom Tod William Roffels und
dem Mord an Sir Henry Ospring.
»Ein Rätsel«,
bestätigte Benedicta. »Lady Aveline habe ich gestern abend
kennengelernt. Sie war bei Ashby. Außerdem habe ich diesem
gedungenen Raufbold Marston befohlen, die Kirche zu verlassen. Aveline ist
keine Mörderin«, fuhr sie fort. »Aber wie wollt Ihr
beweisen, daß sie ihren Stiefvater in Notwehr erstochen hat? Und was
die andere Sache angeht - Sir John würde wohl sagen: ›Bei den
Zähnen der Hölle: Komplott und Gegenkomplott! «‹
Sie stützte die Arme auf' den Tisch. »Aber es kommt noch
Schlimmeres«, fügte sie düster hinzu.
Athelstan legte seinen Löffel
aus der Hand und starrte sie an. »Wieso?«
Benedicta verbarg ein Lächeln.
»Ihr wißt von dem Streit zwischen Pike und Watkin?«
Athelstan nickte müde.
»Nun, Watkins Frau sagt
jetzt, die Gattin Gott Vaters stehe höher als die Gattin des Heiligen
Geistes.«
Athelstan schlug die Hände
vors Gesicht.
»Nie wieder«,
schwor er, »nie wieder werde ich erlauben, daß in dieser
Gemeinde ein Mysterienspiel aufgeführt wird.« Er hob den Kopf,
als es klopfte. »Herein!« rief er.
Aveline trat ein und lächelte
Benedicta schüchtern zu. Athelstan erhob sich.
»Mylady, was gibt’s?«
»Pater, gestern abend
habe ich Sir Henrys Papiere durchgesehen…«
Athelstan führte sie zu
einem Stuhl.
»…und dabei habe
ich dies hier gefunden.«
Sie gab ihm ein Stück
Pergament, verschmiert und voller Daumenabdrücke. Athelstan strich es
auf dem Tisch glatt. Es war eine Zeichnung darauf - zwei parallel
verlaufene Linien, von Kreuzen umgeben. Athelstan starrte sie an.
»Mylady, was ist denn
daran so außergewöhnlich?«
»Ich weiß es
nicht, Pater. An sich bedeutet es vielleicht wenig, aber ich habe es in
der Panzerschatulle meines Stiefvaters versteckt gefunden. Sie hatte einen doppelten Boden. Als ich ihn
aufhob, lag die Zeichnung darunter.«
Athelstan starrte auf das
Pergament.
»Warum versteckt Sir
Henry ein scheinbar unauffälliges Blatt, wenn es nicht wirklich etwas
sehr Kostbares oder Gefährliches ist?« Er trommelte mit den
Fingern auf dem Tisch. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen«,
sagte er. »In Kapitän Roffels Stundenbuch. Die gleiche
Zeichnung, die gleichen Kreuzmarkierungen.«
»Darf ich es sehen?«
fragte Benedicta.
Athelstan reichte ihr das
Pergament. Benedicta betrachtete es lange; dann blickte sie auf und lächelte
Aveline an.
»Mein Mann, Gott
schenke ihm die ewige Ruhe, war Kapitän zur See. Athelstan, habt Ihr
Euch überlegt, daß diese Linien eine Karte darstellen könnten?
Die obere zeigt die Küste von Frankreich - genauer gesagt, den
Abschnitt von Calais« -, sie deutete auf eines der Kreuze - »bis
zum Hafen von Dieppe. Die untere Linie ist die englische Küste. Die
Kreuze könnten Schiffe sein.«
Athelstan konnte seine
Erregung kaum im Zaum halten. »Zum erstenmal ergibt die Sache einen
Sinn«, flüsterte er und schaute Aveline an. »Mylady, Euer
Stiefvater war nicht nur Grundbesitzer und Kaufmann. Was war er noch?«
Aveline verzog das Gesicht.
»Er war dafür verantwortlich, in der Grafschaft Truppen
auszuheben, sollten die Franzosen einfallen.«
»Und was hat er noch
getan?«
»Er hat der Krone Geld
geliehen.«
»Ach, kommt, Aveline -
was noch?«
Die junge Frau fuhr sich nervös
mit der Zunge über die Lippen. »Nachts kamen oft Besucher in
unser Haus, vermummte Männer, die
lautlos wie Schatten auftauchten und wieder verschwanden. Ich glaube, es
waren Spione. Manchmal half mein Stiefvater ihnen, nach Frankreich überzusetzen,
aber nicht nach Calais,
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