Tod auf der Themse
sondern in andere Häfen, die sich in französischem
Besitz befinden.«
»Woher wißt Ihr
das?«
»Mein Stiefvater traf
sich immer nachts mit ihnen. Zuweilen ging ich noch nach unten und kam an
seinem Zimmer vorbei, und dann saßen die Männer da, stets mit
dem Rücken zur Tür. Es wurden Briefe ausgetauscht, und ich hörte
auch Geld klimpern.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich
weiß so wenig. Mein Stiefvater behielt solche Geschäfte für
sich. Er hatte mächtige Freunde bei Hofe, und sie entlohnten ihm
seine Arbeit mit Gefälligkeiten.«
Athelstan stützte den
Kopf auf beide Hände und starrte ins Feuer.
»War Ashby dann auch
dabei?«
»Nein, nie.«
»Aber wer könnte
außer Eurem Stiefvater noch davon wissen?«
Aveline lächelte.
»Marston vielleicht. Manchmal hat er die Leute zur Küste
gebracht.«
»Darf ich diese
Zeichnung behalten?« fragte Athelstan.
Aveline nickte und wollte
etwas sagen.
Der Ordensbruder hob die
Hand. »Bevor Ihr sprecht, Lady Aveline: Ich habe Euch und Master
Ashby nicht vergessen.«
Aveline lächelte, stand
auf und ging.
Athelstan starrte weiter ins
Feuer.
»Was meint Ihr, Bruder?«
fragte Benedicta.
»Meiner Ansicht nach
war Sir Henry Ospring ein viel zu mächtiger
Edelmann, der viel zu viele Finger in viel zu vielen Töpfen hatte.
Wir wissen, daß Roffel zwischen Calais und Dieppe ein Fischerboot
aufgebracht und versenkt hat. Wir wissen, daß ihm der junge Ashby
einen versiegelten Umschlag überbrachte. Ich vermute nun, daß
der Umschlag eine Kopie dieser Karte enthielt, und darüber hinaus
genaue Anweisungen, wo und wann das Boot aufzubringen war. Aber zunächst
einmal ist daran ja nichts Besonderes. Ospring könnte Gerüchte
von einer kostbaren Fracht gehört haben.« Er klopfte mit dem
Finger auf die rohe Zeichnung. »Doch in diesem Fall befanden sich
wichtige Botschaften und englische Spione an Bord des Schiffes.«
Athelstan stand auf und hielt die Hände ans Feuer, um sie zu wärmen.
»Am liebsten würde ich Marston zur Rede stellen, um
festzustellen, ob er etwas weiß, aber das könnte diese Leute
aufmerksam machen.« Er sah sich um und lächelte. »Benedicta,
wollt Ihr mir einen Gefallen tun?«
»Was Ihr wollt, Pater.«
»Vergeßt den
Streit zwischen Pike und Watkin. Ich möchte, daß Ihr eine kurze
Nachricht in die eisenbeschlagene Truhe vor der Statue Unserer Lieben Frau
mit dem Kinde in der St. Paul’s-Kathedrale legt.« Sein Lächeln
wurde breiter, als er den Ausdruck der Verwunderung in Benedictas Gesicht
sah.
»Eine ganz einfache
Nachricht. Schreibt nur: ›Ihr Heiligen Peter und Paul, bittet für
uns.‹ Unterschreibt mit Bruder Athelstan. Keine Sorge«, fügte
er trocken hinzu, »die heiligen Apostel werden nicht einschreiten,
aber zwei Herren vom Schatzamt werden sehr erfreut sein, ihre
Bekanntschaft mit mir zu erneuern.«
Er durchquerte die Küche
und nahm seinen Mantel von einem Haken an der Wand.
»Aber jetzt muß
ich mir eine Baustelle anschauen.«
Er verabschiedete sich von
der ratlosen Benedicta und ging um das Haus herum, um den wie stets
widerstrebenden Philomel zu satteln. Wenig später ritt er durch die
engen Gassen von Southwark. Er sah Marston und die anderen Kerle vor einer
Schenke stehen; von dort aus konnten sie die Kirchentür im Auge
behalten. Athelstan machte ein Kreuzzeichen in ihre Richtung und lächelte
leise. Wenn sein Verdacht sich als richtig erwies, würde Marston sich
bald nicht mehr nur um den armen Ashby Sorgen machen müssen.
Es war ein kalter, aber
klarer Tag; starker Reif hatte Pfützen und Wagenspuren überfrieren
lassen. Philomel, den Athelstan für das schlaueste Pferd der Welt
hielt, ging dem Eis geschickt aus dem Weg, aber auch den Läden und
Marktständen. Endlich kam Athelstan zu einem Platz, an dem Bauleute
ein dreistöckiges Haus für einen Kaufmann errichteten, der den Zöllen,
Abgaben und Steuern entgehen wollte, mit denen die Häuser am anderen
Ufer belegt wurden. Athelstan beobachtete, wie die schimpfenden und
fluchenden Männer, deren Atem schwer in der frostigen Morgenluft
hing, ihre Steine auf wackligen Leitern nach oben schleppten. Zimmerleute
sägten Holz, und Lehrjungen sprangen umher wie Äffchen.
Athelstan sah den Bauleuten gern bei der Arbeit zu, und als sie ihm Grüße
zuriefen, winkte er zur Antwort. Seine besondere Aufmerksamkeit galt dem
Dachdecker; er
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