Tod auf der Venus
Falle, die wir hier vermeiden müssen.«
»Welche Falle?« Curtis lehnte sich zurück und schloß die Augen. Wer ihn genau kannte, der wußte, daß Craggy am schärfsten überlegte, wenn er den Eindruck größter Entspannung aufkommen ließ.
»Nun, Sir, wenn wir offiziell den sowjetischen Anspruch bestreiten, und es stellt sich heraus, daß sie doch recht haben, dann ist mit einem Schlag unsere eigene Glaubwürdigkeit verloren – und zwar für sehr lange Zeit.
Man wird sagen, wir hätten es schon lange gewußt, aber versucht, unser Wissen der Welt vorzuenthalten. Haben sie nicht recht, dann hängen sie sich ja selbst. Haben sie recht, dann können wir ihren Sieg nicht abstreiten, ohne uns selbst eine gewaltige Ohrfeige zu versetzen.«
Curtis öffnete die Augen. »Ein guter Punkt. Gentlemen, ich danke Ihnen sehr.«
Damit stand er auf und verließ den Raum. Das Meeting war zu Ende.
Die fünf Astronauten erhielten im Wohnviertel des Komplexes Zimmer zugewiesen. Chet und Doug, Jim und Phil teilten sich je ein Zimmer, und Captain Borg bekam eines für sich allein. Sie hatten keine Pflichten zu erfüllen, doch man sagte ihnen, daß sie zwei oder drei Tage zu bleiben hätten und zur Verfügung stehen müßten, wenn man sie brauchte.
Sie spielten häufig Handball und machten gerne Gebrauch von den erstklassig eingerichteten Turnsälen, oder sie saßen gelegentlich auch im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher. Trotzdem wurde ihnen die Zeit ziemlich lang. Es gab wenig Diskussionen über die Ereignisse der letzten Zeit und keine Spekulationen über die Zukunft. Sie hatten schon vor langer Zeit gelernt, die Dinge besser auf sich zukommen zu lassen, weil dann immer alles glatter lief, als wenn man die Fehler der Vergangenheit auswalzte und künftige Ereignisse vorauszusagen versuchte.
Einmal unterhielt sich Captain Borg kurz mit Chet.
»Ich glaube, Sie haben sich bei dem Meeting recht gut gehalten. Ich weiß natürlich, daß es nicht leicht ist, der einzige im Raum zu sein, der anderer Meinung ist. Ich gebe auch nicht vor, mit Ihnen übereinzustimmen, weil ich es wirklich nicht tun kann. Trotzdem bin ich stolz darauf, daß Sie Ihre Meinung so geschickt vertreten haben.«
»Vielen Dank, Sir. Ich fürchte allerdings, den bestimmten Eindruck bekommen zu haben, daß die Generäle und der Admiral Ihre Ansicht nicht teilen. Wahrscheinlich habe ich sie sehr enttäuscht oder gelangweilt. Ich hoffe, Craggy hat sich deshalb nicht zu sehr erregt.«
»Mr. Curtis ist ein fairer Mann. Er wollte Informationen haben. Über ihn würde ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Aber sagen Sie mir, Chet, so ganz unter uns, was würden Sie vorschlagen, um dieses Durcheinander aufzuräumen?«
»Ich glaube nicht, daß man uns hergeholt hat, um Politik zu machen. Sie wollten nur unsere erste Reaktion kennenlernen«, vermutete Chet.
»Sicher. Aber wie würden Sie hier verfahren?«
»Nun ja, darüber habe ich ja wirklich noch kaum nachgedacht«, gab Chet zu. »Aber in ein paar Wochen kommt ein neuer Mariner zum Abschuß. Ich würde vorschlagen, man programmiert ihn so um, daß man über die russischen Entdeckungen Klarheit bekommt. Und außerdem würde ich die Sonde irgendwo auf der südlichen Hemisphäre niedergehen lassen. Dann könnten wir selbst etliche Antworten auf brennende Fragen bekommen.«
»Hm. Der Mariner ist drei Monate zur Venus unterwegs. Und welchen offiziellen Standpunkt nehmen Sie bis dahin ein?«
»Gar keinen. Ich würde die Dinge so laufen lassen, wie sie eben laufen. Jeder Wissenschaftler stellt andere Vermutungen an und Behauptungen auf. Neue Kommentatoren kommen mit eigenen Analysen, und ein paar Kongreßleute reden, damit Lärm gemacht wird, wie üblich. Alle sind sich doch darin ziemlich einig, daß die Russen Schauermärchen erzählen. Ich stelle mir vor, daß alle lustig weiterreden, bis die Stimmen wie eine offizielle Verlautbarung klingen, aber wir können es abwarten, bis wir etwas Genaueres wissen, um uns daran zu orientieren. Dann können wir erst offiziell die Geschichte akzeptieren oder ablehnen, ohne uns selbst allzusehr zu exponieren.«
»Chet, wir stehen beide auf verschiedenen Seiten des Zaunes, wenn es um die Bewertung der russischen Informationen geht«, sagte Borg. »Aber ich glaube, Sie haben absolut recht mit dem, was wir tun sollten. Ah, ich denke aber, wir sollten uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, denn das steht uns nicht zu.«
Als Craggy nach ihm schickte, tat er das nicht per Telefon.
Weitere Kostenlose Bücher