Tod Auf Der Warteliste
vorstellte und sein Büro in der Superbehörde hatte, die die Rumänen vor zwei Jahren zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingerichtet hatten. Natürlich mit Blick auf die Normen der Europäischen Union, deren Mitglied Rumänien so bald wie möglich zu werden hoffte. Laurenti hatte von dieser Behörde gehört, denn auch FBI und Interpol hatten Beobachterbüros im neunten Stock des ehemaligen Volkspalastes, der als zweitgrößtes Gebäude der Welt galt – nach dem Pentagon natürlich.
Dank der Übersetzerin, einer jungen Italienerin aus Pescara, die in Triest studierte, klappte die Verständigung diesmal reibungslos. Ypsilantis Cuza ließ sich den Fall und den Grund des Verdachts beschreiben.
»Völlig richtig«, bestätigte er die Anfrage Laurentis. »Andere Möglichkeiten gibt es nicht. Wir sind eine hochmoderne Behörde und verfügen über ein ausgezeichnetes Computersystem, den Europäern und Amerikanern um Jahre voraus. Schicken Sie uns doch bitte einen Satz Fingerabdrücke und einen Scan des Fotos, dann können wir sehen, ob wir den Mann gespeichert haben.«
Laurenti blieb mißtrauisch. »Wie lange dauert das?«
»Ein paar Stunden vielleicht, auf keinen Fall länger als zwei Tage. Ich rufe Sie an.« Der freundliche Herr Ypsilantis schien nicht zu scherzen.
»Allerdings«, die Einschränkung folgte auf dem Fuß, »will ich Ihnen keine allzu großen Hoffnungen machen. Wir sind ein armes Land und haben fast 23 Millionen Staatsbürger. Nicht jeder hat aktuelle Dokumente, und selbst die sind leider noch nicht alle gespeichert. Wir stehen erst am Anfang.«
»Das wird schon«, sagte Laurenti und bedankte sich. Er wußte nicht einmal, wie man ein Bild einscannte, geschweige denn, wer in der Questura dies konnte. Er gab Marietta den Auftrag, sich darum zu kümmern.
Jagdsaison
»Läuft doch alles gut«, sagte Professor Leo Lestizza an diesem Dienstag morgen halblaut vor sich hin und lächelte selbstzufrieden. Er stand vor dem großen Panoramafenster des Salons und starrte in den dichten Nebel, der die Sicht auf den alten Hafen und die Kaianlagen an den Rive verschleierte. In kleinen Schlucken trank er den dampfenden Kaffee aus der vorgewärmten Tasse. Er war zufrieden mit sich selbst. Im Januar hatte er in feiner Gesellschaft in Cortina, dem Wintersportparadies der High-Society, seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert und für die Einladung ein Vermögen hingelegt. Aber er konnte es sich leisten. Die Klinik lief gut, die Nachfrage war größer als die Kapazitäten, was bedeutete, daß die Einnahmen sich, parallel zum guten Ruf des Hauses, in exzellenten Höhen bewegten. Anwalt Romani hatte versprochen, mit Petrovacs Hilfe auch den lästigen Journalisten loszuwerden, dessen Identität er über die Mietwagenfirmen ausgemacht hatte. Lestizza hatte ihn noch ein paarmal gesehen und keinen Zweifel, daß der Mann ihn verfolgte. Aber man würde sich nun endgültig um ihn kümmern, und die Sache würde bald ein Ende haben. Auf Romani war in solchen Dingen bisher immer Verlaß gewesen. Das andere Problem hatte sich glücklicherweise von selbst erledigt, aber eigenartigerweise beschäftigte es ihn immer noch. Natürlich war es dumm, daß der junge Kerl damals entwischt war, doch wenigstens konnte er nicht mehr reden. Ein absurder Zufall, daß er dem Deutschen in den Wagen gelaufen war, aber immerhin wirksam. Die Politik brachte manchmal doch taugliche Lösungen zuwege.
Wenn er in einigen Minuten den Jaguar die Via Bonomeo hinauf nach Opicina lenkte, würde er in einem gleißenden Frühlingssonnenschein ankommen und die triste Nebelglocke hinter sich lassen. Oben auf dem Karst war es in diesen Tagen endlich einmal wärmer als in der Stadt. Wie lange ging das schon so? Ein ungewöhnliches Phänomen für Triest.
In einer Viertelstunde wäre er in Prepotto in seinem Büro, tränke den zweiten Kaffee, würde die Patientenunterlagen lesen und sich vorbereiten. Wie jeden Morgen rauchte er die erste Zigarette zu Hause. Das Geld für die Haushälterin legte er auf den Eßtisch, dann überprüfte er vor dem Spiegel noch einmal den Sitz seiner Krawatte, heute hatte er den perfektesten Knoten seit Wochen gebunden. Als er den leichten Mantel von der Garderobe nahm, klingelte es. Der acht Monate alte Labradorrüde im Garten schlug an. Leo Lestizza warf einen Blick auf die Armbanduhr. Für Gärtner und Haushälterin war es noch zu früh. Als er die Klingel noch einmal hörte, länger, penetranter diesmal, ging er zur
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