Tod Auf Der Warteliste
sicherer konnte er sein, daß die Spuren hier endeten. Er hatte nichts von den Dingen ohne Vorsichtsmaßnahmen berührt. Kein Fingerabdruck würde von ihm zu finden sein und auch für eine DNA würde es schwierig werden. Obwohl er sich kaum hundertfünfzig Meter vom Haus entfernt hatte, war es durch den Nebel schon nicht mehr zu erkennen. Die Polizei, das war klar, würde auf die Mafia tippen. Für Triest zwar ungewöhnlich, doch die Zeichen sprachen für sich. Und der Arzt würde den Rest seiner Jahre mit der verzweifelten Frage zu kämpfen haben, was ihm passiert war und weshalb. Niemals würde er darauf eine Antwort erhalten. Eine elende Qual. Es würde Lestizza von Tag zu Tag mehr erniedrigen und allmählich in den Wahnsinn treiben.
Den gestohlenen Fiat Panda ließ er auf dem Parkplatz des Supermarktes in Roiano stehen und ging die Treppen auf die Piazza hinunter, wo er die alte, gestohlene Vespa abgestellt hatte. Seine Spur verlor sich im Arbeiterverkehr der Viale Miramare. Zwanzig Minuten brauchte der Zug nach Monfalcone, genug, um sich in der Toilette des zweiten Overalls zu entledigen, den falschen Schnauzbart von der Oberlippe zu reißen und ihn zusammen mit dem zweiten Paar Latexhandschuhe aus dem Fenster zu werfen.
Lestizza kam mit rasenden Schmerzen zu sich. Sein ganzer Körper pochte, und er rang nach Luft. Es gelang ihm kaum, die Kiefer zu bewegen, und das Stöhnen erstickte ihm im Schlund. Sein Kopf schien zu zerspringen, während sein Unterleib höllisch brannte. Irgend etwas Warmes lief über seinen Schoß. Und der junge Labrador schaute auf ihn herab, wedelte mit dem Schwanz und stupste ihn mit der Schnauze. Langsam wurde Lestizza klarer und würgte schließlich die schlaffe zähe Masse aus seinem Mund, die über seinen Oberkörper kullerte. Er versuchte sich aufzurichten und spürte die Fessel an seinen Händen. Der Hund schnappte die Wurst, die auf den Boden gefallen war, und lief mit lustigen Sprüngen davon. Der Arzt rollte sich zur Seite und sah seine gefesselten Hände. Und Blut. Wieder verlor er die Besinnung. Er lag ohnmächtig über den drei Stufen des Hauseingangs, als der Gärtner ihn fand und die Polizei verständigte.
*
Proteo Laurenti durchquerte die Eingangshalle der Questura, ohne nach links oder rechts zu schauen. Der Hund lief fröhlich neben ihm her und gab ihm manchmal einen Stups mit der Schnauze. Sie wählten die kleine Treppe, die neben dem römischen Amphitheater hinauf zum Colle di San Giusto führte. Cluzot lief vor ihm die Stufen hinauf, beschnupperte die Büsche und markierte sein Terrain. Manchmal blieb er stehen und wartete, bis Laurenti ihn eingeholt hatte. Es blieb bei einer kleinen Runde, denn auch für den Vizequestore galt die Verordnung der Stadtverwaltung, die vorschrieb, daß Hunde nur an der Leine durch die Stadt geführt werden durften und der Halter die Hinterlassenschaft der Vierbeiner sorgfältig entfernen mußte. Laurenti hatte weder eine Leine noch ein Plastiksäckchen dabei. Er würde erst lernen müssen, auch an diese Dinge zu denken. Zumindest aber steckte sein Portemonnaie in der Hosentasche, ein Kaffee an der Ecke war drin, und die Zeitung konnte er auch kaufen. Als er zurück ins Büro kam, holte er die morgens versäumte Lektüre nach.
Caravaggio im Wert von zwanzig Millionen in Privathaus entdeckt. Gemälde beschlagnahmt, das seit Jahren in einer Wohnung an den Rive hing . Er legte den »Piccolo« auf den Schreibtisch und griff zum Telefon. »Laura«, sagte er, »kauf die Zeitung, euer Bild wurde beschlagnahmt.«
»Weiß ich schon. Damit war zu rechnen. Sie können es nur so lange behalten, bis das Procedere um Herkunft und Echtheit abgeschlossen ist. Was schreiben sie noch?«
»Ich les dir vor: Eine obligatorische Maßnahme, bis die Zuordnung des Werks endgültig zertifiziert ist. Laut Eigentümer und einigen Experten handelt es sich um einen echten Caravaggio, aber es gibt auch Stimmen, die das bezweifeln – bis hin zur Betreibung eines Strafprozesses. Der Name des Eigentümers steht bereits auf der Liste der verdächtigen Fälscher. In diese Verlegenheit wurde er durch den Kunsthändler gebracht, der das Bild verkaufen sollte. Der Händler vermutete, daß das Werk nicht von Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, stammt . Die sprechen von dir, Laura. Das ist das Ergebnis deiner Meldung ans Kulturministerium. Der Mann wird dich nicht mehr besonders gerne mögen. Er wird mit Vor- und Nachnamen genannt.«
»Ich hatte
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