Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
die Anlage wegen Überfüllung verstopfte. Dann brannte sie nur langsam, und der Gestank war noch viel schlimmer. Man war nicht zufrieden mit ihm und warf ihn eines Tages einfach raus, obwohl es nicht seine Schuld war, wenn mehr Müll anfiel, als er verarbeiten konnte. Dimitrescu hatte seine Papiere genommen, den letzten kargen Lohn quittiert und sich sogleich um eine andere Arbeit gekümmert. Am Abend kam er später als sonst nach Hause und hatte eine entsetzliche Fahne. All seine Bemühungen waren umsonst gewesen, doch seiner Frau sagte er nichts, und am nächsten Tag machte er sich zur selben Zeit wie immer auf den Weg. Vasile, sein Zwillingsbruder, war damals auf Arbeitssuche in Bukarest und arbeitete einige Tage als Hundefänger. Dimitrescu mußte zwei Familien durchbringen, bis Vasile zurück war. Nach einer Woche akzeptierte er das Angebot einer Schmugglerbande, für sie zu arbeiten. Das gab Luft fürs erste, aber obwohl er lange Zeit beim Militär gewesen war und die Ausbildung zum Kampftaucher wohl die härteste war, die es gab, stieg er aus dem Geschäft wieder aus, als sein zweiter Mann eines Tages vor seinen Augen aus dem Weg geschafft wurde. Genickschuß, peng. Er hatte es vermutlich nicht einmal mitbekommen. Niemand verlor ein Wort darüber. Ein Blick des Bosses genügte, um jedem klarzumachen, daß es ihm nicht anders erginge, wenn er rebellierte. Die undichte Taucherkleidung, das stinkende Brackwasser im Hafen und das schwierige Anbringen der schweren Pakete, deren Inhalt er nicht kannte, tief unten am Schiffsrumpf, den er in der Brühe trotz der Lampe kaum sah, hätten ihn nicht aussteigen lassen. Doch ein paar Tage später verletzte er sich absichtlich mit dem Messer und wurde nach Hause geschickt.
    Vasile kam eine Woche später aus Bukarest zurück. Ohne Geld. Aber er erzählte, daß er mit einem Vermittler gesprochen hatte. Er würde abreisen nach Istanbul, nur für ein paar Tage, und mit Geld zurückkommen, das ihre Situation schlagartig verändern würde. Zehntausend Dollar für eine Niere! Natürlich wußte auch Dimitrescu von dieser Möglichkeit. Er kannte sogar einen Mann in seinem Alter, der es hinter sich gebracht hatte, aber seither unter starken Schmerzen litt und sich jeden Tag fragte, wieviel Zeit ihm noch blieb. Auch ihm hatte man zehntausend Dollar versprochen, am Ende aber nicht einmal dreitausend in die Hand gedrückt, und er mußte eine Erklärung unterschreiben, daß er alles freiwillig getan und kein Geld dafür bekommen hatte. Auf dem Hinweg hatte man ihn mit dem Auto nach Istanbul gebracht, mit echten Dokumenten, die sie einbehielten, damit er nicht abhauen konnte. Aber keine zwölf Stunden nach der Operation setzte man ihn auf die Straße und zeigte vage die Richtung zum Busbahnhof. Die Schmerzen während der Rückfahrt waren unerträglich, und von dem Geld, das er mitbrachte, war bald nichts mehr übrig. Nicht einmal die fünfzig Dollar, die ein Arzt für eine Echographie verlangte. Erst nach langem Warten hatte ihn ein anderer gratis untersucht und festgestellt, daß auch die Harnblase ausgetauscht worden war. Für den Empfänger war das besser. Dimitrescu versuchte, Vasile von seinem Plan abzubringen, doch sein Bruder blieb stur. Der Vermittler sei seriös, sagte er, und anders kämen sie sowieso nie aus der Misere heraus. Vasile hatte Pläne. Er konnte so nicht weitermachen. Seine Kinder brauchten neue Kleidung und sollten bessere Schulen besuchen. Und er hatte den Traum von einer Eismaschine.
     
    Die Stelle am Hinterkopf, wo ihn der Schlag mit der Pistole getroffen hatte, schmerzte noch ein bißchen und war geschwollen. Aber er hatte inzwischen etwas zu essen bekommen und fühlte sich wesentlich besser. Auf dem Tablett stand ein Teller mit Fischfilets, Kartoffeln, Salat und eine große Portion Tiramisu. Eine Schwester stellte wortlos das Essen auf den Tisch. Er sah, daß vor der Tür einer der Männer aus dem Krankenwagen wartete. Etwa drei Stunden mußte er inzwischen hiersein. Das Zimmer war hell und gut geheizt. Das Bett, auf das er sich gelegt hatte, um über seine Situation nachzudenken, war nicht so wie in den Krankenhäusern, die er kannte. Es war fest an die Wand montiert und konnte nicht gefahren werden. Zwei Sessel standen vor einem kleinen runden Tisch. Dimitrescu hatte sich nicht gewehrt, als man ihn hereingeführt hatte. Er wollte nicht fliehen, doch inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob sein Vorhaben auszuführen war. Er hatte gehofft, daß er sich

Weitere Kostenlose Bücher