Tod Auf Der Warteliste
nicht?«
»Eine Frage der Ehre.« Silvia lachte, aber es war kein Scherz. »Ich werde dich beschützen. Wenn ich darf.«
»Du könntest etwas für mich aufbewahren. Ein Paket.«
»Was ist drin?«
Ramses legte einen Finger an die Lippen. »Bis Sonntag, Silvia. Eine Lebensversicherung. Versteck es in deinem Wohnmobil.«
»Ich bringe es nach Graz. Dort ist es sicher.«
»Nein. Es muß hierbleiben. Wenn du nichts mehr von mir hörst, mußt du es jemand übergeben. Die Adresse steht obendrauf. Du mußt es ihm selbst geben. Ein Journalist. «
»Es muß etwas Schlimmes sein.« Silvia lächelte. »Wo ist es?«
»Ich gebe es dir, wenn du gehst.«
»Darf ich wiederkommen?«
»Ja. Wenn alles vorbei ist.«
»Wann gehe ich?«
»Später, Silvia. Oder wann du willst.«
Bevor er Silvia am Nachmittag zu ihrem Wagen begleitete, überzeugte sich Ramses davon, daß die Luft rein war. Auf dem Parkplatz stand ihr Mercedes neben seinem Peugeot, dahinter sah er Lauras Wagen. Sonst nichts.
»Ich bin früh dran heute«, sagte Silvia und gab ihm vom Fahrersitz aus einen flüchtigen Kuß. »Ruf mich an, falls was ist.«
Als Ramses sich aufrichtete und die Tür des Mercedes schloß, sah er Laura die Treppe zum Parkplatz heraufkommen. Er winkte Silvia nicht, als sie davonfuhr.
»Geht es dir besser?« fragte Laura. »Hast du dich von gestern abend erholt? Einen Augenblick lang glaubte ich, du würdest in der Osmizza von der Bank fallen. «
»Danke. Alles in Ordnung. Ich hatte Besuch von einer Verwandten meiner Frau.«
Lügner, dachte Laura, denn sie hatte Silvias Mercedes schon am Vormittag gesehen.
»Bist du am Schreiben?«
»Im Moment nicht so richtig, wenn ich ehrlich bin.«
»Dann komm doch später auf ein Glas herunter. Es wäre nett, wenn du mir bei einer Sache helfen könntest. Ich muß einen Schrank verrücken.«
»Reicht es in einer Stunde? Ich erwarte noch einen Anruf.«
»Wann es dir paßt.«
Ramses überlegte, ob es nicht leichtsinnig war, Silvia das Paket anzuvertrauen. Wäre es nicht besser gewesen, es bei der Frau des Polizisten zu verstecken? Ramses, der bisher so klar und entschieden vorgegangen war, spürte auf einmal eine Unsicherheit, die er nicht kannte. Nach einigem Abwägen war er dann doch davon überzeugt, daß er sich auf Silvia verlassen konnte. Laura, die er so unglaublich anziehend fand, strahlte etwas aus, das ihn beunruhigte. Sie machte auf ihn den Eindruck einer Ehefrau, die drauf und dran war, sich wieder in ihren Ehemann zu verlieben. Und Verliebte erzählen sich zuviel.
Die Sache mit dem Schrank war schnell erledigt, anschließend plauderten sie über Gott und die Welt. Ramses wagte sogar, ihr Komplimente zu machen, doch Laura lachte darüber.
»Ich bin eine verheiratete Frau, Ramses. Und ich bin älter als du.« Doch warf sie ihm einen herzerwärmenden Blick zu. »Beauty lies in the eyes of the beholder.«
»Ich habe es durchaus ernst gemeint.«
Laura überhörte seine Bemerkung. »War die junge Dame auf dem Parkplatz wirklich eine Verwandte deiner Frau?«
»Eine echte Triestinerin«, sagte Ramses. »Blond, reich, verwöhnt. Genügt das nicht als Beweis?«
»Nein.« Laura lachte hell und schüttelte den Kopf. Ihr dickes blondes Haar wirbelte wild durch die Luft. »Nein, Ramses. Ich bin auch blond und komme dennoch nicht von hier.«
Ramses brach rechtzeitig auf, bevor Proteo Laurenti nach Hause kam. Er ärgerte sich, daß er so lange bei Laura geblieben war. Er mußte alleine bleiben. Er durfte nicht ausgehen mit ihnen. Schon gestern auf dem Karst hatte er sich in Gefahr begeben. Die Osmizza von Škerk lag in der Nachbarschaft von »La Salvia«. Wie leicht hätte ihn jemand erkennen können.
*
Die Tür hatte nur einen Knopf an der Innenseite, den man nicht drehen konnte, und die Fenster im dritten Stock des Gebäudes ließen sich lediglich kippen. Was er sah, mußte die Rückseite des Wirtschaftsteils der Klinik sein. Große Müllcontainer standen dort und andere Behälter, in denen vermutlich die Reste aus dem Operationsbetrieb entsorgt wurden. Das Krankenhaus in Constañta, wo er einmal für zwei Monate Arbeit gefunden hatte, verfügte über eine eigene Verbrennungsanlage, in die er den Inhalt ähnlicher Behälter kippen mußte. Der Gestank war fürchterlich, wenn er die Anlage anwarf. Man hatte ihm deshalb befohlen, auf den Wind zu achten. Doch an manchen Tagen konnte er nicht warten, bis der Wind gewechselt hatte und den Qualm von der Klinik wegtrug, weil sonst
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