Tod den alten Göttern
Scheune, und die Frau habe ich hier festgesetzt.«
Der junge Krieger wandte sich Fidelma zu. »Allem Anschein nach bist du eine Christin«, redete er sie an, denn sein Blick war
auf das Kreuz gefallen, das sie an der Halskette trug.
Fidelma verzog die Lippen zu einem schwachen Lächeln. »Bislang hat sich niemand die Mühe gemacht zu fragen, wer ich bin. Selbst
einfachste Höflichkeit scheint in dieser Gegend unbekannt zu sein.«
Der junge Mann stutzte einen Moment. »Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es heraus«, erwiderte er dann. »Wer also
bist du?«
»Ich bin Fidelma von Cashel, eine
dálaigh
, die vom Großen Rat beauftragt wurde, die Hintergründe der Ermordung des Hochkönigs Sechnussach aufzudecken.«
Der schwarz gelockte Krieger riss die Augen auf und blickte den Bauern fragend an.
»Ich habe ihr überhaupt keine Fragen gestellt«, verteidigte der sich. »Solche Leute können einem doch sonst was erzählen.
Mir hat es gereicht, dass sie mit zwei fremden Kriegern hier ankam.«
Ehe sich der junge Mann noch nach diesen Kriegern erkundigen konnte, erklärte ihm Fidelma: »Meine beiden Begleiter sind Caol,
der Befehlshaber der Nasc Niadh, der Leibgarde meines Bruders Colgú von Cashel, und Gormán, einer von seinen Kämpfern.«
»Fidelma von Cashel? Kannst du uns das beweisen?«
»Bedarf es eines Beweises?«
»Heutzutage und in diesem Gebiet leider ja.«
|310| »In meiner Satteltasche findest du den Haselstab, den vom Hochkönig verliehenen Amtsstab. Cenn Faelad hat ihn mir überreicht
als Zeichen meiner Vollmacht.«
Der junge Mann forderte den Sohn des Bauern auf: »Geh und bring die Satteltasche her.«
Im Handumdrehen war das geschehen, und der reich verzierte Haselstab kam zum Vorschein.
Der junge Mann holte erstaunt Luft und schüttelte den Kopf. »Binde sie los«, wies er den Bauern an. »Ich bitte vielmals um
Entschuldigung, Lady. Wir leben in unruhigen Zeiten. Ich bin Ardgal, Oberhaupt der Cinél Cairpre.«
Während er die Stricke löste, murmelte der Bauer unentwegt, er könne nichts dafür, er habe keine Schuld. Fidelma überhörte
das, rieb sich nur die tauben Handgelenke und fragte schließlich: »Kann ich hoffen, dass meine Begleiter nun auch freikommen?«
Ardgal fuhr den Bauern an: »Los, sorge dafür!«, und wandte sich dann ihr zu. »Glaube mir, Lady, es tut mir sehr leid. Du musst
aber bitte auch unsere Situation verstehen. Hier im Land sind Horden von Mordbrennern unterwegs, sie stecken Kirchen in Brand
und verwüsten die Häuser derjenigen, die zum Klerus halten.«
Fidelma schaute ihn ernst an. »Ich bin mir dessen bewusst, Ardgal. Unter anderem bin ich gerade deswegen von Tara hierher
geritten. Ich war auf dem Wege zu dir.«
Darüber wunderte sich Ardgal nun erst recht. »Die Stube hier ist nicht gerade geeignet, dir Gastfreundschaft zu erweisen,
doch mehr kann ich im Augenblick nicht bieten.« Die Bauernsöhne aber trieb er mit den Worten an: »Lasst euch was einfallen
und bringt etwas Gescheites auf den Tisch. Ihr habt da einiges gutzumachen, so grob, wie ihr mit der Anwältin umgesprungen
seid.«
|311| Die Burschen wurden puterrot und trollten sich.
Ardgal zog einen Schemel heran, setzte sich und fragte mit besorgtem Gesicht: »Warum wolltest du mich aufsuchen?«
»Das kann dich kaum überraschen, schließlich war es dein Stammesfürst, der Sechnussach ermordet hat.«
Er senkte zerknirscht den Kopf. »Wir sind nicht alle aus demselben Holz geschnitzt, Lady. Dubh Duin war mein Vetter und mein
Fürst. Das stimmt schon. Erst vor wenigen Jahren ist uns aufgefallen, dass er von einem seltsamen Wahn befallen war. Er hatte
schon immer viel darüber geredet, wie es früher war. Doch das ließ uns kalt, denn wir sind friedfertig und meinen, jeder soll
denken, was er will. Es störte uns auch nicht, dass er am Alten Glauben festhielt und nicht dem Pfad Christi folgte. Aber
in letzter Zeit fing er an, sich heftig gegen den Neuen Glauben zu wenden, und damit kam es zu ernsten Meinungsverschiedenheiten
in unserem Clan. Er wurde geradezu fanatisch. Als Dubh Duin zum letzten Mal auf der Versammlung des Großen Rats in Tara war,
ist der
derbhfine
unseres Clans zusammengetreten und hat den Beschluss gefasst, ihn unter Beachtung aller Regeln des Gesetzes abzusetzen und
mich an seiner Stelle zum Oberhaupt zu wählen.«
»Aus welchem Grund habt ihr so entschieden?«, fragte Fidelma. Ein Sohn des Bauern reichte ihr einen Becher Cidre,
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