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Tod den alten Göttern

Tod den alten Göttern

Titel: Tod den alten Göttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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aufgesetzt und spähte angestrengt in den engen Stollen,
     der zum Eingang ihres Gefängnisses führte.
    »Was mag das sein?«, flüsterte Eadulf.
    »Die Wachen draußen reden mit jemandem«, erwiderte der bejahrte Bischof.
    Eadulf fröstelte. »Ist es soweit? Haben die etwa jetzt schon vor …?«
    »Bis zum Äquinoktium sind es noch ein paar Tage. Vorher unternehmen die nichts«, beruhigte ihn Bischof Luachan.
    Plötzlich wurde es laut vor dem Zugang, und jemand rief: »Eadulf von Seaxmund’s Ham! Komm heraus! Und zwar schnell!«
    Eadulf zuckte zusammen. Das klang wie reines Angelsächsisch. Er übersetzte dem Bischof, was gesagt worden war. »Draußen will
     einer was von mir. Ich soll herauskommen.«
    »Nun mach schon, Eadulf. Du hast nichts zu befürchten«, wiederholte die Stimme.
    Eadulf biss sich auf die Lippen. Ihm blieb nichts anderes übrig, er musste tun, was man von ihm verlangte, und so machte er
     sich auf allen vieren auf den Weg.
    »Gott sei mit dir, mein Sohn«, flüsterte der alte Bischof.
    Eadulf drehte sich um, dankte ihm mit einem gequälten Lächeln und kroch in den Gang. Draußen überflutete das Licht der aufgehenden
     Sonne den Himmel, und es war ziemlich kalt. Zwei Wächter empfingen ihn und noch ein dritter. Eadulf richtete sich auf und
     versuchte die Erscheinung des Fremden zu erfassen. Er war groß gewachsen, hatte langes blondes Haar und trug einen nach unten
     hängenden Knebelbart. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten. Jetzt fiel es Eadulf wieder ein, das war der Krieger, der
     ihm so bekannt vorgekommen war, als er von der Frau befragt wurde, die alle mit
ceannard
anredeten.
    |318| »Folge mir, Eadulf«, bedeutete ihm der Mann in fehlerlosem Angelsächsisch.
    »Kennen wir uns?«, fragte ihn Eadulf, als der Lange sich umdrehte und ihn aufforderte voranzugehen. »Du musst aus Anglia stammen,
     so wie du sprichst.«
    Der Krieger lächelte nur, sagte aber nichts. Er führte ihn in eines der Zelte, die neben den alten Steinbauten standen. Drinnen
     war niemand. Der Mann wies auf einen Stuhl, ging zu einem Fass, nahm zwei Becher und füllte sie mit Ale. Bevor auch er sich
     setzte, reichte er Eadulf einen Becher.
    »Natürlich kennen wir uns, Eadulf von Seaxmund’s Ham«, begann der Angelsachse das Gespräch und sah ihn dabei belustigt an.
    Eadulf runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, kann mich nicht erinnern …«.
    »Doch, du kannst, ist freilich schon viele Jahre her. Wir waren ganz junge Burschen damals und saßen zu Füßen eines neuen
     Lehrers, Fursa hieß der. Er kam von Éireann und mühte sich, uns zum Neuen Glauben zu bekehren.«
    Eadulf schloss für einen Moment die Augen, suchte sich an die Zeit zu erinnern, als er ein Bursche von sechzehn Sommern war.
     Damals hatte er den alten Göttern und Göttinnen seines Volkes den Rücken gekehrt und sich dem Neuen Glauben zugewandt. In
     jenen Jahren waren mehrere Missionare von Éireann herübergekommen in dem Bestreben, das Südvolk auf den Pfad Christi zu bringen.
     Mit einem Mal tauchte ein Bild vor seinem inneren Auge auf: Er sah eine Gruppe junger Burschen, die im Halbkreis um einen
     älteren Lehrer saßen. Und plötzlich fiel es ihm ein. »Du bist Beorhtric von Aeschild’s Ham.«
    Der blonde Krieger grinste. »Dein Gedächtnis trügt dich nicht, Eadulf. Ich bin Beorhtric aus dem Land der Ostangeln.«
    |319| Verwundert schaute ihn Eadulf an, während Erinnerungen aus vergangenen Tagen auf ihn einstürmten. »Was treibst du hier? Warum
     trägst du das Gewand eines Kriegers, Bruder? Wolltest du nicht damals in Fursas Abtei bei Burgh im Lande des Nordvolks eintreten?«
    Beorhtric lachte vergnügt und nahm einen Schluck von seinem Ale. »Ich bin kein Bruder des christlichen Glaubens. Nachdem du
     fortgegangen warst, um dich auf dieser Insel ausbilden zu lassen, bin ich eine Zeitlang mit Fursa umhergezogen. Dabei wurde
     mir klar, welchen Fehler ich gemacht hatte. Ich erlebte, wie entsetzlich die Gelbe Pest wütete, und musste mit ansehen, dass
     unser neuer Gott uns nicht davor bewahrte. So wanderte ich ins Königreich von Sigehere, der sich wieder zum Alten Glauben
     bekehrt hatte und zu Wodan betete, das Übel zu beenden. Ich war mit dabei, als Sigehere die Christenkirchen zerstörte und
     die alten heiligen Stätten wieder errichtete.«
    Eadulf verzog das Gesicht. »Dass die Ostsachsen zu den alten Bräuchen zurückgekehrt sind, ist mir bekannt. Es betrübt mich,
     dass du jetzt einer von denen bist.« Er dachte kurz

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