Tod den alten Göttern
jemand mit scharfem Verstand und tiefgründigem Wissen in Rechtssachen
gibt es hier viel zu tun.«
Fidelma sah Eadulf an, und wie aus einem Munde lehnten beide das Ansinnen ab, sodass Brehon Sedna laut auflachte.
»Ist es wirklich so schlimm hier?«
»Nein, das nicht, nur in Cashel ist es viel besser, weil …«, sie hatte sagen wollen, »weil ich dort zu Hause bin«, änderte |418| das aber nach einem weiteren Blick zu Eadulf in »weil dort unser Sohn ist.«
»Ich verstehe euch«, versicherte ihnen Brehon Sedna aufrichtig. »Ich habe selber Kinder.«
»Das bringt mich auf Assíd. Was wird aus dem Jungen?«
»Ja, was geschieht mit ihm?«, fragte auch Fidelma. »Falls erforderlich, vertrete ich ihn bei Gericht, ehe wir uns nach Cashel
begeben.«
»Der arme Junge ist unter einem bösen Stern geboren. Ihr habt ja gehört, Verbas von Peqini ist davongesegelt, ohne Klage einzureichen
wegen Diebstahls seines Eigentums, wie er es sah. Natürlich muss man ihm zugutehalten, Eigentümer von Sklaven zu sein, ist
nichts Verwerfliches in seinem Kulturkreis, ist vereinbar mit den Sitten und Gebräuchen seines Volks; und ihn zu verurteilen,
weil unsere Moralvorstellungen nicht mit denen seines Volkes übereinstimmen, kommt uns eigentlich nicht zu. Aber er war ein
eitler, aufgeblasener und grausamer Kerl. Im Sinne unserer Gesetze habt ihr völlig korrekt gehandelt, dem Jungen Asyl zu gewähren,
als er sich euch in die Arme warf.«
»Daran haben wir nie gezweifelt«, versicherte Fidelma. »Doch wie wird sein Leben weiterverlaufen?«
»Ich habe mich mit Bischof Luachan und Bruder Rogallach beraten, und die haben einen fabelhaften Vorschlag gemacht. Ist dir
Abt Tírechán bekannt?«
Fidelma wusste sofort, wer gemeint war. »Tírechán von Ard Breacan? Das ist doch der, der eine Lebensbeschreibung des heiligen
Patrick verfasst hat und auch eine der Brigid von Cill Dara? Die Idee ist großartig.«
»Mir sagt der Name überhaupt nichts«, wandte Eadulf ein. »Inwiefern ist die Idee großartig?«
»Tírechán ist Abt und Bischof einer klösterlichen Gemeinschaft, |419| gar nicht weit weg von hier«, erklärte Bischof Sedna. »Die Abtei wird ›Höhe von Breacan‹ genannt nach einem heiliggesprochenen
Lehrer, der dort eine Gemeinde Christi gründete. Als Brecain starb, folgte auf ihn Ultán als Abt.«
»Doch nicht etwa Ultán …«, unterbrach ihn Eadulf, der an den Fall denken musste, bei dem sie die Hintergründe für den Mord
an Abt Ultán von Cil Ria aufzudecken hatten.
»Den Namen Ultán gibt es öfter«, belehrte ihn Fidelma. »Er bedeutet einfach ›ein Mann aus Ulaidh‹«.
»Als die Gelbe Pest im Lande wütete, verloren viele Kinder Vater, Mutter und auch alle Verwandten, die sich um sie hätten
kümmern können«, fuhr Brehon Sedna fort. »Eine der grässlichen Folgen dieser Seuche. Ultán und die Mitglieder seiner Gemeinschaft
zogen umher und sammelten die elenden Würmchen auf, all die umherirrenden Kleinen und die schreienden, verhungernden Säuglinge.
Sie brachten sie in ihre Gemeinde, versorgten sie, ließen sie etwas lernen und halfen ihnen zu überleben.«
»Abt Ultán ist vor zehn Jahren verstorben«, ergänzte Fidelma, »ihm folgte Tírechán ins Amt des Abtes. Seither hat er das großartige
Werk fortgesetzt, sich der Waisenkinder anzunehmen.«
Brehon Sedna bekräftigte das mit heftigem Kopfnicken. »Bischof Luachan und auch Bruder Rogallach waren sich einig, dass Assíd
dort eine Heimstatt finden könnte, bis er das Alter der Wahl erreicht und selbst entscheidet, wie er fernerhin leben will.
Der Junge ist klug und spricht drei Sprachen, er kann sie sogar lesen und schreiben. Erinnerungen an die frühen Jahre seiner
Kindheit hat er so gut wie keine, und das wenige, woran er sich erinnert, scheint zu bestätigen, was ihr bereits geschlussfolgert
habt. Er war auf einem Schiff mit Pilgern aus den fünf Königreichen. Möglicherweise stammt er |420| aus Connacht, das lässt sein Name vermuten, vielleicht ist er sogar der Sohn von in Gemeinschaft lebenden Klosterleuten. So
wäre die Abtei doch ein sehr geeigneter Ort, ihn dort unterzubringen. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, und er hat eingewilligt.«
»Somit hätten wir eine günstige Lösung für ihn gefunden«, stellte Fidelma befriedigt fest.
»Der Junge möchte euch Lebewohl sagen, bevor ihr nach Cashel fortreitet, und euch dafür danken, dass ihr ihn am Flusshafen
errettet habt. Schaut doch bei Bruder
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