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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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natürlich unvollständig, da ich ja keine Gelegenheit hatte, Sie zu interviewen, aber ich habe mir die Daten Ihrer Personalakte beschafft, den medizinischen Bericht über Sie und so weiter.«
    »Gut. Ich möchte Ihnen nun eine Frage stellen.« Cornut zögerte. Die passende Art, die Frage zu stellen, war: Auf Grund einer undeutlichen, verschlafenen Erinnerung vermute ich, daß ich neulich morgens meiner Frau einen recht sonderbaren Vorschlag gemacht habe. Das war die passende Art, aber sie war peinlich; und wahrscheinlich implizierte sie, daß er erklären mußte, wie viele recht sonderbare, manchmal fast tödlichen Dinge er in jenen Augenblicken zwischen Wachsein und Schlaf bisher getan hatte … »Können Sie mir ein Stück Papier geben«, sagte er statt dessen und kritzelte hastig eine Zeile Symbole darauf. Es war wesentlich weniger peinlich, daß er sich an die richtigen Zeichen erinnerte. Er schob das Papier über den Schreibtisch dem Sexautor zu. »Was sagen Sie dazu? Paßt es in das Bild, das Sie sich von unseren Persönlichkeiten gemacht haben?«
    Farley studierte die Zeile und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Absolut nicht«, sagte er prompt. »Sie würden nie daran denken; Sie würden es auch nie zulassen.«
    »Könnte man sagen, daß es etwas Anstößiges wäre?«
    » Master Cornut! Benutzen Sie keine Moralbegriffe. Das Geschlechtsleben eines Paares ist eine rein persönliche Angelegenheit; was Sitte und Moral einerseits sind …«
    »Bitte, Mr. Farley. Wäre es nach unseren eigenen Moralbegriffen – Sie haben sie ja in Ihrer Darstellung kurz skizziert – etwas Anstößiges?«
    Der Sexautor lachte. »Mehr als das, Master Cornut. Es wäre absolut unmöglich. Ich weiß, daß meine Unterlagen unvollständig waren, aber so etwas kommt nicht in Frage.«
    Cornut holte tief Luft: »Aber angenommen«, sagte er nach einem Augenblick, »ich sage Ihnen, daß ich das meiner Frau vorgeschlagen habe?«
    Farley trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. »Ich kann dazu nur sagen, daß andere Faktoren dabei eine Rolle spielen«, sagte er.
    »Welche zum Beispiel?«
    Farley sagte ernst: »Sie machen offenbar den Versuch, Ihre Frau zu vertreiben.«
     
    Auf dem Weg – zwei Blöcke zwischen Farleys Büro und dem Eingang der U-Bahnstation – sah Cornut, wie drei Männer getötet wurden; ein Turbolaster auf der oberen Fahrbahn geriet ins Schleudern, streifte ein anderes Fahrzeug und sauste durch das Schutzgitter, wobei der Fahrer und zwei Fußgänger getötet wurden.
    Es war eine schockierende Interpolation der Gewalttätigkeit in seinem akademischen Leben, aber irgendwie entsprach es dem weiteren Verlauf seines Tages. Sein eigenes Leben geriet genauso schnell und verhängnisvoll außer Kontrolle wie der Laster.
    Sie machen offenbar den Versuch, Ihre Frau zu vertreiben.
    Cornut stieg automatisch in seinen Zug, denn er dachte angestrengt nach. Er wollte Locille doch nicht vertreiben!
    Aber er wollte sich auch nicht umbringen, was er jedoch zweifellos immer wieder versuchte. Es war alles Teil eines Schemas, das Ergebnis stand außer Zweifel. Er versuchte, sich in jeder Hinsicht selbst zu zerstören. Nachdem er es nicht fertiggebracht hatte, sein Leben zu beenden, versuchte jener Zerstörer in ihm, den Teil seines Lebens zu beenden, der ihm auf einmal am meisten bedeutete, seine Liebe zu Locille. Aber im Grunde lief es auf dasselbe hinaus, dachte er, denn wenn Locille nicht mehr da war, Carl tot, Egerd abgegangen, hätte er niemanden mehr in seiner Nähe, der ihm helfen konnte, die gefährlichen Augenblicke zwischen Wachsein und Schlaf zu überstehen, die alle vierundzwanzig Stunden mindestens zweimal eintraten.
    Er würde keinen einzigen Tag überleben.
    Er sank in seinen Sitz zurück, zum erstenmal mit dem Gefühl der Verzweiflung. Ein Teil seines Verstandes sagte zu Recht: So ein Jammer.
    Ein anderer Teil ließ sich, trotz seiner Niedergeschlagenheit, von seiner Umgebung beeindrucken, von der Neuheit, unter so vielen nicht-akademischen Männern und Frauen zu sein. Sie schienen so müde und verdrossen zu sein, dachte er zerstreut, ein oder zwei sahen sogar krank aus. Er fragte sich, ob irgend jemand von ihnen je die Hilflosigkeit empfunden hatte, von dem heimtückichsten Feind, nämlich sich selbst, belagert zu werden.
    Aber angenommen, Master Carl hatte recht, sagte Cornut sich ganz unvermittelt.
    Der Gedanke überraschte ihn. Er stellte sich ohne Einleitung ein, oder falls ein Gedankengang ihn doch hervorgerufen

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