Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
hatte sie ihm gegeben? Fotos durfte er von ihr machen. Die Göttin fotografieren. Auf seinen Bildern war sie oft noch unnahbarer gewesen, vielleicht weil er nah zu sein versuchte. Viel zu nah.
Wenn du mir nicht hilfst, werde ich auf der Straße landen. Hätte sie diesem einen kleinen Druck nicht nachgeben können? Ihm Geld schicken?
Warum starb er hier vor dem Hotel? Am Tag ihrer Ankunft.
Jana Tempel zweifelte nicht daran, dass dies in einem Zusammenhang stand.
Du hast ein hartes Herz, hatte Gustav gesagt und sie dennoch geliebt. So wie Fritz.
Sie war bereit, seine Beerdigung zu bezahlen.
Das Telefon, nachdem sie schon gegriffen hatte, stellte sie wieder zurück. Die Kriminalpolizei konnte warten.
Vielleicht sollte sie erst einmal mit dem Kind sprechen und diesem Nick. Auch das hier bedeutete Gefahr.
Anni Kock hatte keine Geduld, um auf der Chaiselongue herumzuliegen. Dabei war das schon der Kompromiss.
Vera hatte sie ins Bett stecken wollen.
Das Bett. Im größeren der zwei Gästezimmer, das eigentlich Annis Zimmer geworden war, seit Jefs Tod, seit der Geburt des Kleinen. Viele Nächte hatte sie seitdem hier verbracht.
Völliger Blödsinn, den Arzt kommen zu lassen.
Das war nur ein bisschen Kreislauf. Der Blutdruck vermutlich wieder bei achtzig zu sechzig. Besser als zu hoch.
Anni schätzte, dass Nelly zu hohen Blutdruck hatte, so echauffiert wie sie schon als junge Frau gewesen war.
In Konkurrenz zu Nelly Lichte würde sie sich wohl noch auf dem Totenbett sehen. Obwohl Nelly neu verheiratet in Nizza lebte. Nur diese Jana Tempel war in der Stadt.
Totenbett. Was dachte sie denn da.
„Die zweite Decke brauche ich nicht mehr“, sagte Anni, „mir ist schon wieder warm.“
Vera nahm eines der Plaids und legte es auf den Sessel aus geflochtenem Bananenblatt. Eine der neuen Anschaffungen der letzten Jahre.
„Engelenburg kommt heute zurück“, sagte Anni.
„Hast du darum schlappgemacht?“, fragte Vera. „Vor lauter Aufregung?“ Sie traute sich schon wieder flapsig zu sein. Anni hatte sich doch schnell erholt.
Jan van Engelenburg, Nachbar seit einem dreiviertel Jahr, war nach Java gefahren. Eine andere sentimental journey. Die waren wohl in Konjunktur. Die Engelenburgs hatten dort vor dem Krieg eine Kautschukplantage besessen. Dass sie die an Michelin verkauften, bevor die Japaner im Januar 1942 ins Land einfielen, war ihrer guten Nase zu danken.
„Ich hab doch nichts mit Engelenburg“, sagte Anni, „ich dachte immer, du und er könnten euch zusammentun.“
„Nick und ich sind doch dein Traumpaar.“
„Wird ja nichts draus“, sagte Anni vorwurfsvoll, „Nick ist viel zu brav für dich.“
„Engelenburg ist zwanzig Jahre älter.“
„Deine Eltern waren vierzig Jahre auseinander.“
„Siehst du ja, wo das hingeführt hat.“
„Der Kleine muss doch einen Vater haben“, sagte Anni.
Höchste Zeit, dass sie von der Chaiselongue aufstand.
Wer wusste, was ihr sonst noch alles in den Kopf kam.
„Nick kommt gleich“, sagte Vera.
„Den hast du auch alarmiert?“
„Ich habe niemanden alarmiert. Nicht mal Nick.“
„Das hängt doch alles mit dieser Tempel zusammen“, sagte Anni und warf das letzte Plaid zurück, um aufzustehen.
„Ehe du dich wieder in der Vertikalen befindest, will ich dir was sagen“, sagte Vera. „Wir werden eine Putzfrau engagieren.“
„Kommt gar nicht in Frage.“
„Für drei Tage in der Woche.“
„Die bringt doch nur alles durcheinander.“
„Ich bestehe darauf“, sagte Vera, „du hast hier genug zu tun und musst nicht noch nebenbei acht Zimmer putzen.“
„Ich hab doch gerade den schönen Patentmop gekauft.“
Vera blieb es erspart, auf dieses schlagende Argument einzugehen. Im Treppenhaus gab es einen Lärm, der in die vorderen Zimmer drang, und Anni und sie aufschreckte.
Wurden sie nicht beide an Philip Perak erinnert, dem unglückseligen Menschen, der vor Engelenburg in der Wohnung nebenan gelebt hatte? Zu seinen Zeiten war manchesmal eine Wüterei dort drüben gewesen.
„Fühlst du dich wirklich wieder fit?“, fragte Vera, bevor sie die Tür zum Treppenhaus öffnete.
„Wie wenigstens zwei Putzfrauen“, knurrte Anni.
Vor der Tür standen Engelenburg und Nick und versuchten, einen Schrankkoffer aufzurichten.
Jan van Engelenburg war kein Mann, der mit leichtem Gepäck reiste. Er neigte zur barocken Lebensweise.
„Ihr Lieben“, sagte er, „ich habe eine Menge Souvenirs im Koffer. Wo ist der Kleine?“
Warum fiel Vera ein
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