Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Loew entschied, hatte mit dem kleinen Herrn Kolp zu tun, der ihn zu einem Abendbrot bat.
Kristians Loews Beerdigung sollte in zwei Tagen stattfinden.
Pit ging durch den Laden und staunte über die Abwesenheit von Büromaterialien. Es schien wirklich nur ein Auffanglager gewesen zu sein, dieses antifaschistische Ladenlokal.
Die Schnapsflaschen, die er inspizierte, waren nur Fusel.
Kein edles Kirschwasser von Ziegler dabei.
Vielleicht war ja die einzige Flasche davon auf Altgrafs Kopf zerschlagen worden. Tat das ein Mensch, der seine Sinne beisammen hatte? Hätte er dafür nicht lieber einen Obstler von Aldi genommen?
Was hatte ihm Kummer vorgeworfen? Dass er ein Zyniker sei. Vielleicht fing Pit tatsächlich an, einer zu werden.
Ein Stück Zervelatwurst in Zeitungspapier. Die fettige Klinge eines Taschenmessers daneben.
Die Dame mit der Sonnenbrille und dem Kopftuch auf dem Zeitungsfoto sah aus wie die Garbo. Oder wie Jana Tempel?
Pit kannte sich mit diesen Göttinnen nicht so aus. Scheiterte er nicht schon an einer Frau aus Fleisch und Blut wie Vera es ohne Zweifel war?
Er faltete das zerkrumpte Papier auseinander und las einen Text zur Ankunft der Jana Tempel in Hamburg.
Altgraf war schon tot gewesen, als das erschienen war.
Schien so, dass auch Loew dieser Dame Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Genügend, um diesen Artikel aus der Zeitung zu schneiden.
Ich habe sie verehrt, hatte der kleine Herr Kolp gesagt und von Jana Tempel gesprochen. Ein Thema, das Pit beim Abendbrot anschneiden sollte.
Der Tisch war so gedeckt, dass Pit anfing, an seine Mutter zu denken. Kalte Platte. Heute koche ich nicht mehr, Junge.
Auf einem großen Teller die gewöhnlicheren Wurstsorten, auf dem kleinen Schinken und halbe hartgekochte Eier.
Ein Brotkorb. Butterröllchen. Neben den Tellern Teetassen.
Pit hatte vergessen, dass es Menschen gab, die Tee zum Abendessen tranken und keinen Wein. Außerhalb von Krankenhäusern und Jugendherbergen.
Hatten sie so allabendlich gegessen? Kolp und sein Sohn?
Dann waren Wiener Schnitzel eher die Ausnahme gewesen.
Pit ließ sich am Küchentisch nieder und setzte vorsichtig zu der Frage an. „Hatten Sie etwas zu feiern, an dem Abend als ihr Sohn nicht nach Hause kam?“
„Weil ich warm gekocht habe?“ Der kleine Herr Kolp kam mit der Kanne und schenkte Tee ein. Wenigstens schwarzer Tee und keine Hagebutte.
„Kristian hatte harte Tage hinter sich“, sagte Kolp, „ich wollte ihn ein wenig verwöhnen.“
„Warum?“ Pit räusperte sich. „Ich meine, warum hatte er harte Tage hinter sich gehabt?“
„Sie nehmen alles schon vorweg“, sagte Kolp vorwurfsvoll, „essen Sie doch erst einmal.“
Pit nahm eine Scheibe Schwarzbrot, Schinken, ein halbes Ei und begann Butter auf das Brot zu schmieren und fühlte sich umso mehr an seine Mutter erinnert, die nie duldete, dass er vorpreschte mit einer Geschichte, einer Frage.
Immer erst essen. Schweigend essen. Gut kauen.
Nach einem Brot mit Thüringer Rotwurst hielt er es nicht länger aus. „Was habe ich vorweggenommen?“, fragte er.
Der kleine Herr Kolp seufzte und schob den Teller von sich.
„Jana Tempel“, sagte er.
„Als ich den Namen das erste Mal erwähnte, gaben Sie den Eindruck, kaum zu wissen, wer das ist.“
„Kristian glaubte, sie sei schuld daran, dass sich seine Mutter von ihm abgewandt hatte.“
Pt schluckte seine Überraschung mit dem halben Ei hinunter, das er vergaß zu kauen.
„Sie sind zu jung, um sich das vorstellen zu können“, sagte der kleine Herr Kolp. Er nahm den Teelöffel und fing an, in der Tasse zu rühren. Gar kein Zucker darin.
„Diese jungen Frauen hatten nur Hunger und Trümmer gekannt. Sie sehnten sich danach, ans Licht zu kommen.“
„Ihnen selbst ist das nicht so gegangen?“
Kolp lächelte. Das Lächeln eines kleinen Heiligen.
„Maria und Janka waren gieriger. Sie wollten ein Glanz sein.“
„Janka?“, fragte Pit.
„Später, als ihre Karriere anfing, ließ sie das ‘k’ fallen.“
„Hatte sie Schuld daran, dass Maria sich von ihrem Kind abwandte?“
„Sie hat Maruska mitgerissen in der Zeit nach dem Krieg. Überall Bühnen, auf denen getanzt, gesungen, gespielt wurde. Ein großes Frühlingserwachen.“
„Da wollte Maria sich nicht mit einem Kind belasten.“
Der kleine Herr Kolp nickte.
„Dann sind Jana Tempel und Maria in Frieden auseinander gegangen?“, fragte Pit.
„Im Herbst 1952 hat Maria uns schon gemieden. Im Oktober hatten Janka und sie Premiere mit
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