Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
zog den Kragen des Kaschmirmantels hoch. Noch war es kühl, wenn auch eine Ahnung von Frühling in der Luft lag. Schon länger als vier Wochen her, dass sie in Eiseskälte angekommen war, und das Absperrband im Wind hatte flattern sehen. Genau hier, wo sie jetzt stand.
Sie drehte sich um und sah den Doorman zu ihr blicken. Das beruhigte sie für den Augenblick.
Was war ihr gelungen in diesen Wochen? Hatte sie wirklich geglaubt, sie brauche nur zu kommen und Geld zu verteilen?
Die Zeiten waren vorbei.
Ihnen lag nicht mehr an einer öffentlichen Bloßstellung. Vor vierzig Jahren hatte sie geglaubt, es genüge, ihre Karriere zu beenden, sich vom Film viel zu früh zurückzuziehen, um der Aufmerksamkeit ihrer Feinde zu entkommen.
Doch der Hass der Verbliebenen schien in den letzten Jahren noch größer geworden zu sein. Als hofften sie, dass sich das Tor zum Himmel für sie leichter öffnete, wenn Jana Tempel zum Opfer gebracht wurde.
Wie sie andere geopfert hatte, um das Tor zu öffnen.
Jana Tempel schüttelte sich. Weg mit diesem Gedanken.
Fritzel. Der hatte viel von ihr gewusst.
Vielleicht trauerte sie darum um ihn.
Um ihretwillen. Schon wieder um ihretwillen?
Was hatte Schwester Stefa immer gesagt?
Kind. Du liebst nur dich. Das kann Gott nicht gefallen.
Janka. Hast du schon dein Gebet gesprochen?
Nein. Keine Stimmen in den Bäumen.
Nur eine Erinnerung, die ihr kam, als sie an Stefa dachte.
Im ersten Nachkriegsfrühling hatte sie Fritz getroffen.
Gustav trat erst sechs Jahre später in ihr Leben.
Fritz hatte die Fotos gemacht, mit denen sie sich bei den Theatern bewarb. Er hatte auch Maria fotografiert.
Freizügig fotografiert. Maria war da großzügig gewesen.
Dass Maria tot war. Sie hatte sie für ein zähes Geschöpf gehalten. Viel zäher als Leontine.
Jana Tempel zuckte zusammen, als sie das kleine Geräusch hörte. Das Klicken eines Feuerzeuges.
Sie drehte sich um und sah den Doorman nicht mehr. Nur die Frau, die nicht weit von ihr stand und gierig an einer Zigarette zog, nahm sie aus dem Augenwinkel wahr.
Eine kleine Angestellte vielleicht, die zu ihrer Nachtschicht an irgendeinen Tresen, einer Garderobe ging.
„Ich kenne Sie“, sagte die Frau.
Fühlte sich Jana Tempel eine lächerliche Sekunde lang geschmeichelt? Doch die Geste, mit der die Frau die glühende Zigarette wegwarf, ließ keine Verehrerin in ihr vermuten. Gehörte sie zu den Feinden?
„Mein Vater lässt sie grüßen, Janka“, sagte die Frau. Kaum hörbar, der Akzent, mit dem sie sprach, doch Jana Tempel klang er in den Ohren. Was wollten diese Polen von ihr?
„Tomek“, sagte die Frau.
„Ich erinnere mich nicht, Ihren Vater zu kennen.“ Arrogant, ihr Ton, doch was fiel der Frau ein, sie Janka zu nennen?
Die Frau lächelte. „Er wird Ihnen schon noch einfallen“, sagte sie. Eine neue Zigarette, die sie sich anzündete, um dann in schnellen Schritten davonzugehen.
Jana Tempel wankte eher, als dass sie ging. Der leuchtende Eingang des Hotels schien weit weg zu sein.
Sie hatte gedacht, die Feinde nennen zu können.
Jeden einzelnen. Acht Namen.
Die eine oder der andere tot. Nicht mehr auffindbar.
Doch sie hatte sich geirrt. Es gab noch mehr von ihnen.
Keine Kuverts, die Jana Tempel für sie vorbereitet hätte.
„So zwischen Suppe und Kartoffeln“, sagte Anni, „das hat dir doch sicher den Appetit verdorben.“
Die Suppe war eine Essenz von der Wachtel gewesen, die Kartoffeln Thymiangnocchi zur Königsbrasse. Jana Tempel hatte sich nicht lumpen lassen beim Leichenschmaus.
Vera schüttelte den Kopf. „Nick geht es viel näher“, sagte sie, „ich fürchte, er liebt Leo immer noch.“
„Kann nicht sein“, sagte Anni, „nach allem was sie ihm angetan hat.“ Sie schälte das Möhrchen zu Ende und hielt es dem Kleinen hin, der gleich zugriff. Tat gut, so eine harte Möhre, wenn der Mensch mitten im Zähnekriegen steckte.
Was hatte Leo ihrem Verlobten Nick angetan?
Ihn betrogen. In Lebensgefahr geraten. Verschwunden.
Ohne sich mit langen Erklärungen aufzuhalten, über das woher und wohin. Eine kurze Begegnung im Cox, die gar nichts klargestellt hatte. Nicht für Nick.
„Wo wohnt sie denn jetzt?“, fragte Anni.
„Keine Ahnung. Im Augenblick ist sie bei George Clooney.“
„Dann hat sie also einen Neuen“, sagte Anni. Fast befriedigte sie das. Dann blieb Nick von ihr verschont. Sie hatte Leo gern gemocht. Doch sich die ganze Zeit nicht bei Vera zu melden, auch nach Jefs Tod und der Geburt des
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