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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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tippte sich an den Kopf. »Diese Leute haben sexuelle Probleme, so seh ich das jedenfalls. «
    »Mmhh… «
    »Wie überhaupt viele unserer Kunden – nein, nein, nicht alle. Ich habe ein paar sehr gute Stammkunden, die ich als reife Menschen bezeichnen würde, verstehen Sie? Sie wollen einen Transsexuellen zum Vergnügen, zur Abwechslung, aus Neugier, wie auch immer, aber sie wollen einen Transsexuellen und sagen das auch. Mit so jemand kann man eine richtige Beziehung haben. Freundschaft, sogar ein bißchen Zuneigung, aber die anderen – Sie können es sich nicht vorstellen! «
    »Nein. «
    »Sprechen einen an und tun dabei so, als hätten sie es mit einer Frau zu tun – als ob in Florenz junge Frauen auf der Straße stehen. Dann tun sie alle überrascht – gehen aber nicht fort, verstehen Sie. Sie bleiben, sie machen einfach weiter, tun weiter so, als wäre man eine Frau. Und dann… ich will Ihnen was erzählen. Florenz ist klein, also läuft man sich ein, zwei Tage später über den Weg, und er hat seine nette kleine bürgerliche Verlobte am Arm. Also, Kunde ist Kunde, er hat für sein Vergnügen bezahlt, und mehr erwarte ich auch gar nicht. Auf der Straße sehe ich ihn nicht einmal an, ja? Aber was tut er? Er stupst seine kleine Freundin an und grinst und sagt: ›Sieh mal! Das ist einer von denen !‹ Krank sind sie, diese Typen, krank! Und natürlich gibt es Hunderte von Homosexuellen, die es sich nicht mal selbst eingestehen können. Frauen und Kinder und der ganze Rest. Aber stellen Sie sich vor, es nicht einmal vor sich selbst zugeben zu können! Das ist schlimm, finde ich, armselig. Also brauchen sie jemanden wie mich. Es gibt viele Leute, die jemanden wie mich brauchen, Herr Wachtmeister, aber nur die Reiferen geben es zu. Die meisten wollen ein Allzweckspielzeug haben, das ihnen die verrücktesten Träume erfüllt und das sie, wenn sie aufwachen, nicht als Mensch zu respektieren brauchen. Verstehen Sie? «
    »Vielleicht…« Mehr jedenfalls als letzte Nacht. »Sie haben viel darüber nachgedacht… «
    »Worüber sollte ich sonst nachdenken, bei dem Leben, das ich führe? Oder erstaunt es Sie, daß ich überhaupt denken kann? «
    »Nein, nein… das habe ich nicht gemeint… «
    »Ich will Ihnen noch etwas anderes erzählen. Ich habe an der Universität Philosophie studiert, sogar mein Examen gemacht. Aber ich konnte mich nicht länger verstellen. Ich bin so, wie ich bin. Es ist nicht sehr schön, in Männersachen herumlaufen zu müssen, wenn man sich eigentlich als Frau fühlt. Ich konnte es nicht mehr ertragen, also beschloß ich, mich so zu akzeptieren, wie ich bin, nur alle anderen akzeptieren mich halt nicht. Ich wollte unterrichten, verstehen Sie? Glauben Sie, ich bekomme hierzulande einen Job? «
    »Vermutlich nicht. «
    »Richtig vermutet. Und doch braucht man mich und meinesgleichen, und zwar so viele, daß in einer kleinen Stadt mehr als zweihundert von uns in Luxus leben können. In Luxus, aber ohne Menschenrechte. Also gehe ich jede Nacht hinaus, kostümiert für die Show, und ich überlebe – bis irgendein Geisteskranker mich in Stücke hackt. Das ist nicht mein richtiges Leben. Mein richtiges Leben findet hier statt, wenn ich allein bin – oder mit Muschi, meinem Kätzchen, und meinen Büchern und Platten. Hier ist es friedlich. Hier gefällt es mir. «
    Es war tatsächlich friedlich. Die singenden und schwatzenden Kanarienvögel, das Sonnenlicht, das durch das Fenster und den Musselinvorhang fiel, das schnurrende schwarze Kätzchen. Die alptraumartige Szene der letzten Nacht im Park, die abgetrennten Leichenteile auf einem Müllhaufen, das alles lag jetzt in weiter Ferne. Doch für Carla war der Alptraum Wirklichkeit, Nacht für Nacht, bis irgendwann, wie gesagt… »Wissen Sie von irgendeinem Kunden, der immer wieder auftaucht und wirklich gefährlich sein könnte? «
    »Eigentlich nicht… man muß nur auf diejenigen aufpassen, die selbst unbedingt Frauensachen anziehen müssen, wenn sie zu uns kommen. Für mich sind das die übelsten Typen. «
    »Frauensachen…?« Jetzt kam er wirklich nicht mehr mit .
    »Warten Sie, ich zeig Ihnen was. Muschi, runter mit dir!« Carla kramte in einer Schublade und kam mit einem Foto wieder. »Sehen Sie? Das bin ich. «
    Er hätte es nie erraten und sagte das auch .
    »Kein Wunder. Ich sehe jetzt so schlimm aus, weil ich krank bin. Aber hauptsächlich liegt es daran, daß ich so angezogen bin. Wie gesagt, wir sind dazu gezwungen. Es ist eine Show.

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